Notdienstreform

Wo endet die Solidarität?

Der Südwesten baut den Notdienst um. Jetzt beginnt die heiße Phase und die Kollegen im sehen erstmals wer Gewinner und wer Verlierer ist. Eine Verteilungsdebatte ist entbrannt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Auf zum Notfall: Im Südwesten erhitzt die Notdienst-Reform manche Gemüter.

Auf zum Notfall: Im Südwesten erhitzt die Notdienst-Reform manche Gemüter.

© dondoc-foto / fotolia.com

STUTTGART. Die Notdienstreform in Baden-Württemberg hat die Umsetzungsphase erreicht, in der Gewinner und Verlierer feststehen. In Göppingen wollen Ärzte die kürzlich von der KV-Vertreterversammlung verabschiedete neue Notdienst-Satzung nicht akzeptieren.

Bei einer Versammlung der Kreisärzteschaft in der vergangenen Woche entlud sich Empörung. Dass die Fronten auch kommunikativ verhärtet sind, macht die Sache nicht einfacher.

Man sei bei der Strukturreform des Notdienstes, also der Verringerung der Bezirke von rund 370 auf 70, "voll auf der Seite der KV", berichtet der Göppinger Allgemeinarzt Dr. Emil Frick der "Ärzte Zeitung".

Die von der KV geplante Kopfpauschale von rund 161 Euro im Quartal sowie eine prozentuale Umlage abhängig vom KV-Umsatz (0,3556 Prozent) bedeuteten, dass defizitäre Notdienstpraxen im Land mitfinanziert werden müssten, sagt Frick.

Das sei eine "völlig unakzeptable Quersubventionierung", hieß es bei der Versammlung der Kreisärzteschaft.

KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner will an den Beschlüssen der KV-Vertreter nicht mehr rütteln lassen. Die neue Notdienstordnung sei mittlerweile vom Sozialministerium des Landes genehmigt worden, sagte Fechner der "Ärzte Zeitung".

Die KVBW werde dem Verein, der in Göppingen die Notfallpraxis betreibt, alle Aufwendungen - soweit die wirtschaftliche Verwendung nachgewiesen wird- erstatten.

Bei der Finanzierung gelte aber das in der Notdienstordnung festgelegte landesweite Modell, stellte Fechner klar. Regionale Umlagen seien kein gangbares Modell, so der KV-Vize: "Wir sind die KV Baden-Württemberg, nicht die KV Göppingen."

Tatsächlich bedeute das Finanzierungsmodell, "dass Praxen mit hohen Umsätzen (...) auch einen höheren Beitrag für die Solidaritätsaufgabe (der Sicherstellung des Notdienstes, d. Red.) zu entrichten haben".

Bei der Versammlung der Kreisärzteschaft in Göppingen wurde daran erinnert, dass nach Paragraf 87 Abs.2 SGB V der Bewertungsmaßstab für ärztliches Honorar allein dem Bewertungsausschuss obliege.

"Daraus ergibt sich, dass eine pauschale Honorierung ärztlicher Notfalldienstleistungen rechtswidrig ist". Das wollen die Juristen nun juristisch prüfen lassen.

Der Internist und Nephrologe Dr. Frank Genske wertet die "Subvention unwirtschaftlicher Strukturen und überflüssiger Maßnahmen" durch die neue Notdienstordnung dahin gehend, dies komme "einer Veruntreuung der Beiträge der Versicherten gleich".

Der KV-Vorstand hat auf diese und ähnliche Vorhaltungen in einem Schreiben mit der Bemerkung "dümmer geht's nümmer" reagiert - was zusätzliches Öl ins Feuer goss. Man wolle "keinen Krieg mit der KV", beteuert Allgemeinarzt Frick, "sondern wir wollen nur gehört werden".

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Kommentare
Dr. jens wasserberg 29.07.201318:01 Uhr

Ärzte bezahlen ihre Arbeit selber - Disqualifikation der ärztlichen Interessenvertretung KV

Es ist und bleibt ein Skandal, dass die Ärzte von ihrem tagsüber verdienten Honorar die Kosten für den Bereitschaftsdienst mitzufinanzieren haben. Sich diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe selber aufzuerlegen spricht für die schlichte Tatsache, dass die KV eben nicht die Interessen der Ärzteschaft vertritt, sondern ihr eigenes Überleben mit dem Faustpfand Bereitschaftsdienst selbst auf Kosten der Ärzteschaft erkaufen will.
Die Apotheker erhalten frisches Geld, um die Bereitschaft in den Apotheken zu garantieren. Die Ärzte zahlen den Fahrdienst und das Personal aus ihrem Verdienst, also aus ihrem Privatvermögen.
Das dürfte übrigens auch juristisch eine interessante Fragestellung werden. Aber alleine der Vorsatz der KV, dies so umzusetzen, disqualifiziert die Protagonisten vollumfänglich als Interessenvertreter der Ärzteschaft.

Dr. Karlheinz Bayer 29.07.201307:41 Uhr

Die VV der KV BaWue ist eine Vertretung der Ärzte, nicht umgekehrt.


Ich bin gespannt, wohin der Beschluß der VV (mit wenigstens zwei nachdenklicheren Gegenstimmen) und dem Placet des Sozialministeriums führt. Vor die Gerichte allemal. Zu einem Ergebnis, das die Versorgung im Land verbessert eher nicht.

Inzwischen beginnt auch "das Volk der Niedergelassenen" nachzurechnen, daß die Idee Fechners einer landesweiten "Eigenmarke Notfallptraxis" von uns sehr teuer bezahlt wird, nämlich 4-5 mal teurer als das System bisher.

Wenn wenigstens die Versorgung besser werden würde.

Aber, Absicht 1 der Reform, die Ärzte auf dem Land zu entlasten, läuft ins Leere, weil die NF-Praxen in den SYtädten liegen - dummgelaufen oder Absicht?
Absicht 2, Ärzte aufs Land zu locken, läuft ins Leere, weil die finanzielle und dienstliche Belastung auf dem Land sich negativ verändert hat.
Absicht 3, eine landesweite Lösung zu finden hat sich jetzt schon als unmöglich erwiesen. Wenn Göppingen das einzige Widerstandsnest wäre, aber nein, Fechner soll mal benennen, wo Zustimmung besteht. Im Ortenaukreis, wo die Reform schon im Juli begonnen hat, nehmen nicht einmal ein Viertel von uns Ärzten daran teil.

Es war absehbar, daß auch die Juristen gefragt sind.

Fechner übersieht, daß die Möglichkeit, daß die KV Notfallpraxen einrichten darf, auf Ausnahmen beschränkt ist. Ansonsten vergißt Fechner, daß die Niedergelassenen Selbstständige und Freiberufler sind.
Die VV ist eine Vertretung der Ärzte, nicht umgekehrt. Die KV gibt Geld aus der Schatulle der Beitragszahler aus. Die KV wird zum Arbeitgeber und macht mit diesem Eigenbetrieb auch noch den Niedergelassenen Konkurrenz. VV-Beschluß hin und Sozialministerium-Zustimmung her, hier werden die Juristen entscheiden müssen.

Hoffentlich gibt es dann noch die Möglichkeit, geordnet in eine echte medizinische Notfallversorgung zurückzukommen.

Dr.Karlheinz Bayer, Bad Peterstal

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