WIdO-Ärzteatlas

Zu viele Ärzte in Deutschland

In Deutschland gibt es ein Drittel mehr Ärzte als es die Bedarfsplanung vorsieht, schreibt das Wissenschaftliche Institut der AOK in seinem neuen Ärzteatlas. Die KBV kontert prompt.

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AOK-Forscher haben Deutschland darauf untersucht, ob es zu viel oder zu wenig Ärzte hat.

AOK-Forscher haben Deutschland darauf untersucht, ob es zu viel oder zu wenig Ärzte hat.

© pagadesign / stock-photo

Von Florian Staeck

BERLIN. Deutschland ist nach Berechnungen des wissenschaftlichen AOK-Instituts WIdO mit mehr als 2300 Hausärzten "überversorgt".

Diese Zahl ergibt sich, wenn man die Bedarfsplanungszahlen in Regionen mit rechnerisch mehr als 110 Prozent Versorgung addiert und zugleich Regionen mit Versorgungsgraden unter 100 Prozent berücksichtigt.

Das geht aus dem "Ärzteatlas 2015" hervor, den das WIdO am Donnerstag veröffentlicht hat.

Das Kassen-Institut verweist darauf, seit 1990 sei die Zahl der Vertragsärzte von rund 88.000 auf über 143.000 gestiegen. Die Dichte der Vertragsärzte je 100.000 Einwohner beträgt im Bundesschnitt 177 und variiert zwischen 156 (Brandenburg) und 234 (Bremen).

Über alle Fachgruppen hinweg kommt das WIdO auf einen bundesweiten "Gesamtversorgungsgrad" von 131,6 Prozent - auf Basis der Bedarfsplanungszahlen. Selbst bei Hausärzten errechnet das Institut einen Versorgungsgrad von 110 Prozent.

Danach ergibt sich nur in Sachsen-Anhalt eine "leichte Unterdeckung" (99 Prozent), den höchsten statistischen Versorgungsgrad weist Berlin auf (120 Prozent).

Die Streuung ist sehr groß. Sie reicht von Ansbach Nord (Bayern) mit 57 Prozent hausärztlichem Versorgungsgrad bis 189 Prozent in Westerland.

720 Hausärzte fehlen

Die Zahl der Hausärzte in Bereichen mit über 100 Prozent Versorgung gibt das WIdO mit bundesweit 5669 an, die Zahl der laut Bedarfsplanung fehlenden Hausärzte mit 720.

Die KBV reagierte mit Unverständnis auf das Zahlenwerk der AOK und erinnerte daran, dass die Planung der Arztsitze vor Ort gemeinsam von KV und Kassen getragen wird.

Dementsprechend habe in Bezirken mit mehr als 110 Prozent Versorgungsgrad auch aus Sicht der Kassen dazu eine Versorgungsnotwendigkeit bestanden, sagte KBV-Vize Regina Feldmann.

Die Zahlen der Bedarfsplanung lieferten keine wissenschaftlich haltbaren Aussagen und bildeten auch nicht den Trend der "Ambulantisierung" in der Versorgung ab, betonte Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI).

Zweifel am Zahlenwerk

Auch die WIdO-Autoren beschleicht Zweifel an der Aussagekraft ihres Zahlenwerks, wenn sie den Sachverständigenrat zitieren: Der hat 2014 gemahnt, es gebe "bis heute keine wirkliche Bedarfsermittlung, die auf fundierten empirischen Füßen steht".

Das hindert die AOK-Autoren nicht an der Aussage, dass es auf Basis der Bedarfsplanung "bei den niedergelassenen Ärzten keinen Ärztemangel gibt, sondern ein Verteilungsproblem".

Anreize, um eine (drohende) Unterversorgung in einzelnen Regionen abzuwenden, würden "ohne einen gleichzeitigen Abbau von Überversorgung wenig wirksam sein", zeigen sich die Studienautoren überzeugt.

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