BVKJ schlägt Alarm
Zu wenige Kinderärzte nicht nur auf dem Land
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sieht nicht nur in ländlichen Regionen, sondern mittlerweile auch in "Mittelstädten und großstadtnahen Bereichen" eine Unterversorgung mit Kinder- und Jugendärzten. Die Bedarfsplanungszahlen gehen seiner Ansicht nach an der Realität vorbei.
Veröffentlicht:WEIMAR. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sieht nicht nur in ländlichen Regionen, sondern mittlerweile auch in "Mittelstädten und großstadtnahen Bereichen" eine Unterversorgung mit Kinder- und Jugendärzten.
Die Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aus dem Jahr 1990 müsse deshalb dringend überarbeitet werden, forderte BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann beim Kongress für Jugendmedizin in Weimar.
Würden die derzeitigen Pläne der Regierungskoalition umgesetzt, könnten in vielen Ballungsgebieten oder stadtnahen Regionen Praxen mit überdurchschnittlichen Fallzahlen nicht mehr nachbesetzt werden.
Dabei seien gerade diese Praxen schon jetzt nicht mehr in der Lage, neue Patienten aufzunehmen.
Sinneswandel bei jungen Ärzten
Dies liege vor allem daran, dass in Groß- und Mittelstädten und in deren Umfeld die kinder- und jugendmedizinischen Praxen "nahezu alle Kinder- und Jugendlichen haus- und fachärztlich" versorgen. Auf dem Land mit geringerer Bevölkerungsdichte würden deutlich mehr Kinder auch von Allgemeinärzten versorgt.
Nach Ansicht von Hartmann würden in Zukunft doppelt so viele Pädiater benötigt, um den heutigen Versorgungsgrad aufrechterhalten zu können.
Dies liege zum einen an den geänderten Arbeitszeitregelungen in den Kliniken und Praxen, aber auch am Sinneswandel gerade junger Ärztinnen und Ärzten, nicht mehr wie früher 24 Stunden lang erreichbar zu sein.
Diese veränderte Work-Life-Balance führe auch zu deutlich mehr Teilzeitstellen und Angestelltenverhältnissen, was die Zahl an benötigten Pädiatern weiter erhöhe. Zudem hätten sich auch die Anforderungen an eine Praxis erheblich gewandelt, sodass heute wesentlich weniger Patienten versorgt werden könnten als noch vor 20 Jahren.
So würden die Pädiater heute zum Beispiel mit immer wieder neuen Morbiditäten (zum Beispiel Medienabhängigkeit oder neue Drogen) konfrontiert, die man vor zwei Jahrzehnten noch gar nicht kannte.
Zahl chronisch kranker Kinder steigt
Zudem strömten immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund, Flüchtlingskinder oder auch Kinder aus bildungsfernen Familien in die Praxen, die eine über die reine Medizin hinausgehende zeitintensive sozialpädiatrische Betreuung benötigten.
Und auch die Zahl chronisch kranker Kinder, die Kongresspräsident Dr. Uwe Büsching mittlerweile bei 30 Prozent sieht, steige rasant.
Da schließlich neue Präventionsleistungen in der Regelversorgung (U7a, U9 und J1) und über Selektivverträge (U10, U11, J2) und neue Impfungen hinzugekommen seien, stehe pro Patient in einer pädiatrischen Praxis heute immer weniger Zeit zur Verfügung.
Fazit von Hartmann: Von Überversorgung könne man in der Pädiatrie erst dann sprechen, wenn ein Überversorgungsgrad von mehr als 200 Prozent vorliegt. Aus Sicht des Berufsverbands sei daher eine Anpassung der Bedarfsplanungsrichtlinien und auch der Weiterbildungsstellen "unbedingt erforderlich".