Schätzerkreis
Zusatzbeitrag soll um zwei Zehntelpunkte steigen
Der Zusatzbeitrag auf die Krankenversicherung geht in den Steigflug. Das bestätigen die Ergebnisse des Schätzerkreises. Die AOK spricht von einer „drohenden Misere“.
Veröffentlicht:Berlin. Der Schätzerkreis hat am Dienstag einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,3 Prozent empfohlen, 0,2 Prozentpunkte mehr als bis dato. Das hat das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) am Dienstagnachmittag mitgeteilt.
Die Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der Kassenfinanzen fielen in der Sitzung unterschiedlich aus. Der GKV-Spitzenverband hat gegen die Stimme des Bundesgesundheitsministeriums und des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) für eine Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages um 0,3 Punkte auf 1,4 Prozent plädiert.
Endgültig festgelegt wird der Zusatzbeitrag auf der Basis der Schätzergebnisse von Gesundheitsminister Jens Spahn bis Ende Oktober. Den Zusatzbeitrag können die Kassen im Wettbewerb individuell festlegen.
Er wird seit 2019 wieder zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Das gilt auch für den regulären Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung von 14,6 Prozent.
Sozialgarantie beeinflusst Ergebnis
Das Schätzergebnis ist beeinflusst von der „Sozialgarantie“, die die Große Koalition ausgesprochen hat. Sie besagt, dass die Summe der Sozialbeiträge 40 Prozent der Bruttogehälter nicht übersteigen soll. Geregelt ist der Sozialgarantie-Passus im Regierungsentwurf des „Versorgungsverbesserungsgesetzes“, das derzeit im Bundestag beraten wird.
Für das Jahr 2021 erwartet der Schätzerkreis Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 255 Milliarden Euro. Darin enthalten sind der reguläre Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro sowie ein „ergänzender Bundeszuschuss“ von fünf Milliarden Euro.
Zudem soll der Zufluss in den Fonds aus den Rücklagen der Krankenkassen mit acht Milliarden Euro gespeist werden. Hier fordert der Gesundheitsminister einen Beitrag von acht Milliarden Euro.
Weitere 900 Millionen Euro werden der Liquiditätsreserve des Fonds entnommen, um Mindereinnahmen durch die Einführung eines Freibetrags auf betriebliche Versorgungsbezüge auszugleichen. Zusammen mit der Anhebung des Zusatzbeitrages soll so eine erwartete Lücke von mehr als 16 Milliarden Euro ausgeglichen werden.
AOK sieht Wettbewerbsverzerrung
„Das Schätzergebnis bestätigt die drohende Misere: Das Versprechen der Sozialgarantie wird nicht eingehalten“, kommentierte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Jens Martin Hoyer das Votum des Schätzerkreises. Der Steuerzuschuss gleiche weniger als ein Drittel des Fehlbetrages aus. Den Rest müssten die Beitragszahler aufbringen.
Einmal über die Anhebung des Zusatzbeitrages und einmal durch das Anzapfen der Kassenrücklagen, die ja ebenfalls aus Beiträgen aufgebaut worden sind. Den Löwenanteil trage die AOK-Gemeinschaft, was eine massive Wettbewerbsverzerrung darstelle. Mit den geplanten Maßnahmen werde es der Regierung kaum gelingen zu verhindern, dass im Wahljahr die Beiträge angehoben werden.
Was die erwarteten Ausgaben im Jahr 2021 angeht, haben sich die Schätzer nicht geeinigt. Das Ministerium und das Bundesamt gehen von Ausgaben in Höhe von 274,9 Milliarden Euro aus, der GKV-Spitzenverband von 276,6 Milliarden, was in etwa dem einen Prozentpunkt mehr entspricht, den der Spitzenverband für den Zusatzbeitrag empfohlen hat.
Pfeiffer spricht von Ausgabendynamik
„Der gesetzlich verpflichtende Abbau von Finanzreserven bei den Krankenkassen, weitere finanzielle Belastungen durch die Corona-Maßnahmen und die ohnehin starke Ausgabendynamik, die auch durch die Reformgesetze der letzten Jahre bedingt ist – all das führt dazu, dass die Zusatzbeiträge im nächsten Jahr wohl deutlich angehoben werden müssen“, sagte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.
Für das laufende Jahr erwarten die Schätzer Einnahmen für den Gesundheitsfonds in Höhe von 239,6 Milliarden Euro. Darin enthalten sind der Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro plus eine durch die Corona-Pandemie bedingte Aufstockung des Zuschusses um 3,5 Milliarden Euro.
Bei den Ausgaben gehen das BMG und das BAS von 257,8 Milliarden Euro aus, der GKV-Spitzenverband von 258,6 Milliarden Euro.