Stammzellforschung

Zwischen Schlagzeilen und Seriosität

Stammzellforscher stecken oft in einem Dilemma: Sie sollen keine falschen Hoffnungen schüren, ihre Forschungsergebnisse sollen aber schnell zur Anwendung kommen. Ethiker fordern deshalb mehr Ehrlichkeit.

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Embryonalen Stammzellen einer Maus.

Embryonalen Stammzellen einer Maus.

© Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin / dpa

BONN. Das Potenzial, das in der Stammzellforschung liegt, sollte nicht dadurch gefährdet werden, dass falsche oder überzogene Erwartungen geweckt werden. Darauf dringt die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates Professorin Christiane Woopen. "Man muss viel Wert darauf legen, die Ehrlichkeit zu bewahren", sagte sie bei einer Veranstaltung beim "Forum des Fortschritts NRW" in Bonn, die vom Landeswissenschaftsministerium veranstaltet wurde.

Die Stammzellforscher dürften nicht dazu verleitet werden, zu früh von Forschungsergebnissen zu berichten und in der Öffentlichkeit falsche Hoffnungen zu schüren, nur weil das Schlagzeilen bringe, forderte die Medizinethikerin und Philosophin.

Nach ihrer Einschätzung kommt allgemein in der Forschung ein Aspekt zu kurz: Neue Erkenntnisse seien schon um ihrer selbst willen positiv, auch wenn es keine direkte Anwendung für die Menschen gebe. "Es gibt unheimlich viele Projekte, bei denen zufällig etwas Bahnbrechendes gefunden wurde", betonte Woopen. "Dafür muss es sowohl in den Natur- als auch in den Geisteswissenschaften Raum geben."

Auch der bekannte Stammzellforscher Professor Oliver Brüstle, Direktor des Instituts für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn, mahnte zu Geduld im Umgang mit den Entwicklungen in der Stammzellforschung.

"Man kann keine festen Versprechen geben." Wichtig sei der entschiedene Kampf gegen Unternehmen, die bei Menschen falsche Hoffnungen weckten und versuchten, damit Geld zu verdienen. "Die schwarzen Schafe gefährden den Ruf derer, die sich tagtäglich bemühen, sagte Brüstle.

Die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern zum Beispiel im Kompetenznetzwerk NRW - wo Brüstle im Vorstand sitzt - könne helfen, Fehlentwicklungen zu stoppen. Auch auf internationaler Ebene haben man durch den gezielten Austausch schon Erfolge erzielen können. Erfolgversprechendes aus der Forschung müssemöglichst schnell zur Anwendung kommen, sagte Brüstle.

Durch das Stammzellgesetz habe Deutschland aber international an Boden verloren. So gehe in Ländern wie Großbritannien, Japan oder den USA die embryonale Stammzellforschung jetzt in die Phase der klinischen Studien. "Bei uns findet das nicht statt."

In einer zweiten Runde kämen nun Forschungen mit induzierten pluripotenten Stammzellen, die auf der Forschung mit embryonalen Stammzellen aufbauen. "Man hat verstärkt einen Rückstand", warnte der Wissenschaftler.

Als positiv bewertet er die Ausschreibung zur translationalen Stammzellforschung durch das NRW-Wissenschaftsministerium, bei der anwendungsorientierte Forschungsansätze gefördert werden sollen. "Das geht genau in die richtige Richtung", sagte Brüstle.

Die Stammzellforschung braucheklare Rahmenbedingungen, sagte Landeswissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). "Wir brauchen Fortschritt, wir müssen ihn aber auch gestalten."

Sie hält es für wichtig, dass ethische Fragestellungen von Anfang an in die Entwicklung mit einbezogen werden. Die grüne Gentechnik habe gezeigt, wie man es nicht machen sollte: erst die Technik entwickeln und dann für Akzeptanz werben. (iss)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Forscher im Dilemma

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