Klinikreform
AOK will über Zentren die Qualität sichern
Die AOK drängt darauf, die Krankenhauslandschaft mithilfe von zertifizierten Zentren umzubauen. In der geplanten Klinikreform sieht Vorstand Uwe Deh bislang nicht mehr als eine "Ideensammlung".
Veröffentlicht:BERLIN. Die Zertifizierung von Krebszentren, wie sie die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) seit Jahren anbietet, sollte als eine Art "Blaupause" für eine künftige Kliniklandschaft dienen.
Dies forderte Uwe Deh, Vorstand des AOK-Bundesverbandes bei der Vorstellung des Krankenhaus-Reports am Freitag in Berlin.
Seinen Vorschlag begründet er mit den deutlich besseren Behandlungsergebnissen in den Zentren. So lebten zum Beispiel 90 Prozent der in Zentren behandelten Brustkrebspatientinnen auch noch vier Jahre nach einem Eingriff.
Bei Patientinnen, die in anderen Einrichtungen versorgt würden, seien es nur 83 Prozent. Anders als an nicht-zertifizierten Einrichtungen gelingt es zum Beispiel an den Zentren auch sehr viel häufiger, Darmtumoren vollständig zu entfernen oder bei Prostatakrebs die Kontinenz zu erhalten.
Wildwuchs und Etikettenschwindel
Laut Deh mangelt es den deutschen Kliniken an Qualitätsorientierung und Transparenz. "Da herrscht Wildwuchs und Etikettenschwindel. Jede Klinik darf sich Zentrum nennen, unabhängig davon, ob sie Qualität liefert", sagte er. Spezialisierung und Zentralisierung seien nötig, um die Kliniklandschaft qualitätsorientiert umzubauen.
Die DKG bietet Kliniken an, ihre spezialisierten Krebszentren freiwillig nach einheitlichen Maßstäben zu zertifizieren.
Dies sind Qualitätsindikatoren aus den aktuellen medizinischen Leitlinien sowie Kennzahlen zur interdisziplinären Zusammenarbeit, die eine multiprofessionelle Kommission erarbeitet hat. 1010 Organkrebszentren gibt es derzeit, die meisten davon für Brust- oder Darmkrebs.
"Die Patienten profitieren, da sie von einem interprofessionellen Team behandelt werden, das alle Bereiche und Phasen der Erkrankung abbilde", sagte Dr. Simone Wesselmann von der DKG. Die Einhaltung der Auflagen wird jährlich überprüft.
"Etwa ein Viertel fallen dabei durch. Im vergangenen Jahr haben wir 114 Zentren zertifiziert und 28 das Zertifikat entzogen", sagte Wesselmann.
WidO: Patienten nehmen längere Anfahrtswege in Kauf
Die Experten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe schätzen, dass die anstehende Klinikreform rund 3,7 Milliarden Euro zusätzlich kosten wird. Deh geht sogar von rund fünf Milliarden Euro aus.
Erwarnte davor, dies als "große Finanzspritze" anzusehen und das Geld nach dem "Gießkannenprinzip" zu verteilen: "Patienten und Beitragszahler müssen einen Nutzen von der Reform haben."
Dass Patienten längere Anfahrtswege für mehr Behandlungsqualität in Kauf nehmen, hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) in einer Studie herausgefunden.
Demnach haben sich beispielsweise 63 Prozent der Brustkrebspatientinnen für einen Aufenthalt in einem zertifizierten Zentrum entschieden, obwohl andere Krankenhäuser näher gewesen wären.
Mit Blick auf das Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform forderte Deh nicht nur bundesweit einheitliche Standards, sondern auch mehr Druck auf die Länder, diese auch einzuhalten. Momentan könnten die Länder die Qualitätsvorgaben auch unterschreiten. Der geplante Strukturfonds allein werde das Problem nicht lösen.
"Die mangelhafte Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser werde bislang völlig ausgeklammert", ärgerte sich Deh.Professor Jürgen Wasem attestierte den Verantwortlichen ein "Politikversagen": Es fehle ein Handlungsprogramm, wie die Qualitätsoffensive umgesetzt werden könne. (wer)