Transplantations-Prozess

"Als ich aufwachte, hatte ich eine neue Leber"

Spektakuläre Aussage im Göttinger Transplantations-Prozess: Ein Zeuge gab an, ohne sein Wissen transplantiert worden zu sein - noch dazu war er damals alkoholkrank.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Der angeklagte Transplantationschirurg könnte bald auf freien Fuß kommen.

Der angeklagte Transplantationschirurg könnte bald auf freien Fuß kommen.

© Swen Pförtner/dpa

GÖTTINGEN. Anfang April 2011 hatte ein 54-jähriger Maurer mal wieder Probleme mit der Leber. Weil es ihm sehr schlecht ging, ließ er sich mit einem Taxi ins Krankenhaus in Einbeck fahren.

"Ich sah die Krankenschwester, dann bin ich umgefallen", berichtete er am Dienstag vor dem Landgericht Göttingen, wo er als Zeuge im Prozess gegen den früheren Leiter der Transplantationschirurgie am Göttinger Uni-Klinikum aussagte.

Fünf Tage lang war der alkoholkranke Patient damals ohne Bewusstsein. "Als ich wieder aufwachte, lag ich im Göttinger Klinikum und hatte eine neue Leber."

Der 54-Jährige gab an, keine Ahnung zu haben, wie er dorthin gekommen war. "Ich habe gedacht, ich bin von Außerirdischen entführt worden."

Nie mit einer neuen Leber gerechnet

Der 54-Jährige hat die Transplantation überlebt. Doch auch zweieinhalb Jahre nach der Operation kann er immer noch nicht fassen, was ihm damals widerfahren ist: "Ich bin aus allen Wolken gefallen und bin heute noch baff."

Er war nach eigenen Angaben Anfang der 1990er Jahre zum Alkoholiker geworden. Seitdem habe er regelmäßig getrunken, zum Schluss seien es täglich bis zu eineinhalb Flaschen Rum gewesen.

Dies blieb nicht ohne Folgen für die Leber, wiederholt musste er sich deshalb in medizinische Behandlung begeben. Trotzdem habe er weiter getrunken, sagte der Maurer.

Dass er einmal eine neue Leber bekommen könnte, habe er nie in Erwägung gezogen, schließlich habe er sich die Leberschädigung ja selbst zugefügt. Auch die Ärzte hätten mit ihm nie darüber gesprochen.

Seinen Aussagen zufolge hatten die Chirurgen in der Göttinger Uni-Klinik einem völlig ahnungslosen Patienten eine Leber transplantiert, ohne je mit ihm über den Eingriff gesprochen und seine Einwilligung eingeholt zu haben.

Für den 54-Jährigen war die Transplantation auch in anderer Weise ein einschneidendes Ereignis: Er trinkt seitdem nicht mehr. "Jetzt wäre ich ja bescheuert, wenn ich das wieder anfangen würde", sagte er.

Kommt der Angeklagte auf freien Fuß?

Voraussichtlich in der kommenden Woche will das Landgericht Göttingen darüber entscheiden, ob der seit Januar in Untersuchungshaft sitzende Transplantationschirurg auf freien Fuß kommt. Das kündigte der Vorsitzende Richter Ralf Günther am Dienstag an.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft beantragt, bei einem Votum der Kammer für eine Freilassung diese so lange nicht zu vollziehen, bis das Oberlandesgericht Braunschweig über die dann zu erwartende Beschwerde der Staatsanwaltschaft entschieden hat.

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