Arzneimittelpolitik
Apotheker sollen Biosimilars austauschen
In der Arzneimittelpolitik bahnt sich offenbar ein Paradigmenwechsel an: Biosimilars sollen künftig wie ganz gewöhnliche chemische Generika in der Apotheke Aut-idem substituiert werden können.
Veröffentlicht:BERLIN. Seit Biosimilars vermarktet werden – seit rund zehn Jahren – zieht es wie ein Mantra durch die Diskussion: Biologicals sind nicht austauschbar. Nun scheint es damit ein Ende zu haben: Wie Gesundheitsminister Jens Spahn dem „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe) verriet, sollen Biosimilars und Altoriginal künftig vom Apotheker gegeneinander ersetzt werden dürfen. Auch im Biologicalgeschäft wäre damit der Weg für exklusive Rabattausschreibungen geebnet, mit denen sich der Preiswettbewerb ankurbeln ließe.
Außerdem sollen Kassen und KVen künftig regionale Biosimilarquoten vereinbaren. In einigen Bezirken ist das heute schon der Fall; dort erreichen Biosimilars meist auch überdurchschnittliche Marktanteile.
Gesetzentwurf in der Schublade
Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Hauptstadtkreisen verlautet, ist die Biological-Substitution Inhalt eines Referentenentwurfs, mit dem Teile des Arzneimittelgesetzes sowie des SGB V geändert werden sollen. Der Entwurf sei bereits fertig und werde voraussichtlich in den kommenden Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Weitere Reformvorhaben beträfen unter anderem Frischzellentherapien (Verbot), die Kooperation zwischen Bundes- und Länderbehörden bei Arzneimittelrückrufen oder auch Haftungsfragen bei Versorgungsproblemen mit Rabatt-Arzneimitteln. Apothekenthemen wie etwa die Rx-Preisbindung oder eine Neustrukturierung des Abgabehonorars blieben ausgespart. Dafür werde ein eigenes Reformgesetz erarbeitet, heißt es.
Die Reaktion der Pharmaverbände auf Spahns Pläne fiel überraschend nüchtern aus. Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer will sich zur Sache erst äußern, „wenn wir sehen, was auf dem Tisch liegt“. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) kommentierte, verbindliche Verordnungsquoten seien „nicht erforderlich“, da der Biosimilarmarkt mit dem Auslaufen großer Patente „gerade noch mehr Schwung“ bekomme.
Untypischer Marktstart
Tatsächlich zeigt die aktuelle Einführung gleich mehrerer Nachbauten des Rheuma-Antikörpers Adalimumab (Original: Humira® von AbbVie) einen untypischen Verlauf. Anders als bei früheren Similar-Launches gehen die Newcomer nicht unisono mit eher gemütlichen zehn bis 15 Prozent Abstand zum Listenpreis des Originals ins Rennen. Biogen hat sich mit seiner Adalimumab-Version gleich 40 Prozent günstiger positioniert und bietet zudem noch Rabatte in Open-House-Verträgen.
Erlaubt ist der Biologicalaustausch in Deutschland bislang nur für Bioidenticals – rekombinante Wirkstoffe, die demselben Herstellungsprozess entstammen. Erstmals hatten GKV-Spitzenverband und Apothekerschaft 2011 den Austausch solcher identischer Biologicals rahmenvertraglich geregelt. Damals handelte es sich um vier Wirkstoffe, für die jeweils gleich mehrere Versionen aus ein und derselben Zelllinie im Markt waren. Inzwischen listet der Rahmenvertrag acht Wirkstoffe auf.
Nach Angaben des Branchenverbands Pro Generika gibt es hierzulande bislang keine Fachgesellschaft oder Arzneimittelkommission, die die Biological-Substitution befürworten würde. Allerdings hatte 2015 das Paul-Ehrlich-Institut die Diskussion mit einem Positionspapier in Richtung Austauschbarkeit befeuert. Anlässlich der damaligen Einführung des ersten biosimilaren Antikörpers (Infliximab) ließ die Behörde wissen, ihr lägen keine Nebenwirkungsmeldungen vor, die darauf schließen ließen, „dass die Umstellung von Patienten von einer Therapie mit dem Infliximab-Referenzprodukt auf eine Therapie mit einem Biosimilar zu Problemen geführt hätte“.
Die wissenschaftliche Literatur zu anderen Biosimilars deute ebenfalls drauf hin, „dass keine Sicherheitsprobleme bei der Umstellung auftreten“. Die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ) urteilte in einem 2017 herausgegebenen „Leitfaden zu Biosimilars“ zwar, „ein Austausch von Referenzarzneimitteln gegen Biosimilars im Sinne einer automatischen Substitution – unabhängig von der ärztlichen Verordnung“ sei „abzulehnen“. Begründet wird das aber nicht mit Immunogenitätsrisiken sondern vielmehr der erforderlichen ärztlichen Patienteninformation anlässlich einer Produktumstellung.
Laut dem Pharmaverband sind europaweit inzwischen 35 Biosimilars aus 15 Wirkstoffgruppen zugelassen. In Deutschland erreichten die rekombinanten Nachahmer „inzwischen bis zu 80 Prozent Verordnungsanteil nach Tagesdosen“. (cw)
Dieser Betrag wurde aktualisiert am 15.11.2018 um 13.30 Uhr