Arzneiverordnungs-Report
Innovationen bestimmen die Dynamik
Die hohe Produktivität der Arzneimittelforschung ist der maßgebliche Faktor für die Ausgabenentwicklung in der GKV. Dabei nimmt die Bedeutung von Orphan Drugs zu, so das Ergebnis des Arzneiverordnungs-Reports 2018.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Arzneimittelausgaben sind 2017 um 3,7 Prozent auf 39,9 Milliarden Euro gestiegen. 45 Prozent davon entfallen auf patentgeschützte Arzneimittel, vor 20 Jahren waren es erst 33 Prozent.
Allein die 20 führenden Patentarzneimittel vereinigen einen GKV-Umsatz von sieben Milliarden Euro auf sich, und sie erklären mehr als zwei Drittel des Ausgabenanstiegs von knapp 1,4 Milliarden Euro.
Das geht aus dem am Donnerstag in Berlin gemeinsam vom AOK-Bundesverband, dem Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft vorgestellten Arzneiverordnungs-Report 2018 hervor.
Von 34 neuen Wirkstoffen kosten laut dem Report 24 inzwischen mehr als 20.000 Euro. Das liegt aber auch an den Therapiegebieten, die sie abdecken. So liegen viele Innovationen im Bereich der Onkologie.
Die meisten neuen Onkologika erreichten hier Jahrestherapiekosten von über 60.000 Euro. Dabei sei jedoch keine klare Relation zum therapeutischen Zusatznutzen erkennbar, kritisierte der Heidelberger Pharmakologe und Ko-Autor Professor Ulrich Schwabe.
Eine besondere Umsatzdynamik geht laut dem Report zudem von den Orphan Drugs aus: Diese würden mittlerweile rund acht Prozent des Gesamtumsatzvolumens in der GKV einnehmen.
Biosimilars haben noch eine geringe Bedeutung
Aber auch Biologicals mit einem Umsatz von 10,9 Milliarden Euro fallen bei den Kassen als Kostenfaktor ins Gewicht: Antirheumatika (2,5 Milliarden Euro), monoklonale Antikörper für die Tumortherapie (2,4 Milliarden Euro und Insuline (1,3 Milliarden Euro).
Biosimilars haben mit rund 600 Millionen Euro Umsatz noch eine geringe Bedeutung, der Marktanteil im biosimilarfähigen Markt (Gesamtvolumen 1,9 Milliarden Euro) erreicht erst 30 Prozent.
Als Ursache sieht Schwabe den in Deutschland geringen Preisunterschied zwischen Biosimilars und Originalen sowie vertrauliche Rabattverträge zwischen Originalherstellern und Kassen.
Das werde auch so bleiben, skizzierte Schwabe. So habe AbbVie, der Hersteller von Humira® (Adalimumab), dessen Patent Mitte Oktober ausläuft, inzwischen mit 107 Kassen Rabattverträge abgeschlossen. Das betreffe 80 Prozent des Adalimumab-Marktes.
Laut Schwabe könnten Adalimumab-Biosimilars etwa 20 bis 30 Prozent günstiger als das Original sein. Zu beobachten sei, dass die Preise dieses Arzneimittels beispielsweise in den Niederlanden deutlich unter dem deutschen Niveau liegen.
Er empfiehlt, für Biosimilars einen Erstattungsbetrag vor dem Hintergrund eines europäischen Preisvergleichs gesetzlich zu verankern.
Unkenntnis und Unsicherheit der Ärzte auch über die strengen Bedingungen bei der zentralen Zulassung von Biosimilars in der EU sieht Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, als wichtige Ursache dafür, dass das Einsparpotenzial durch Biosimilars noch nicht ausgeschöpft sei.
Den realisierten Einsparungen von rund 170 Millionen Euro stehe noch ein Sparpotenzial von 279 Millionen Euro gegenüber (2017), sagte er. Wichtig sei aber auch, dass sich ein intensiverer Wettbewerb durch mehrere Biosimilar-Hersteller entwickele.
Lunapharm-Skandal: Versäumnisse in Brandenburg
Trotz des Lunapharm-Skandals sieht Ludwig die Arzneimittelsicherheit nicht generell als bedroht an.
Ludwig, der der Task Force Lunapharm in Brandenburg angehört hat, hält es für richtig, den Aufgabenzuschnitt und die Zusammenarbeit der Behörden auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zu überprüfen.
Hier habe es Versäumnisse in Brandenburg gegeben, auch weil Personal weggespart worden war. Erneut forderte Ludwig, auf die Importquote für Arzneimittel zu verzichten. Sie gilt ausschließlich für den Apothekenmarkt, in Krankenhäusern, so betont Ludwig, würden keine Importarzneimittel eingesetzt.
Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, werden durch die gesetzlich vorgegebene Importquote von fünf Prozent, wenn der Auslandspreis um 15 Prozent oder 15 Euro unter dem deutschen Preis liegt, gerade einmal 120 Millionen Euro jährlich eingespart.
Aufgrund der des hohen Kontrollaufwandes würde Litsch es für akzeptabel halten, wenn auf die Importquote verzichtet würde.
Wir haben diesen Artikel am 20.9.2018 aktualisiert und die ursprüngliche Version durch einen Korrespondenten-Bericht ersetzt.