Praxisnetze
Aufbruchstimmung im Norden
Sechs Praxisnetze werden schon jetzt von der KV Schleswig-Holstein finanziell gefördert. Doch Geld allein reicht nicht für eine sinnvolle und effektive Zusammenarbeit.
Veröffentlicht:BAD SEGEBERG. Die finanzielle Förderung von Praxisnetzen hat in der Netzlandschaft im Norden für Aufbruchstimmung gesorgt. Allerdings gibt es auch Kritik an den Förderkriterien. Netzvertreter befürchten, dass nicht förderfähige Verbünde abgehängt werden.
Insgesamt sechs Netze werden bislang im Norden von der KV Schleswig-Holstein mit einer Summe von jeweils 100.000 Euro pro Jahr gefördert. Zwei dieser Netze erhalten das Geld in diesem Jahr schon zum zweiten Mal. Weitere drei Netze haben die Förderung bei der KV beantragt.
In den Netzen hat die Förderung viel bewirkt. Die Kriterien, die die KV für die Anerkennung definiert hat, waren in manchen Netzen der Startschuss für umfassende Änderungen. Deutlich wird dies etwa im Kieler Netz, mit einst über 400 Mitgliedern eines der größten in ganz Deutschland.
Groß bedeutet aber nicht schlagkräftig. Inzwischen hat das Netz seine Rechtsform geändert, erhebt einen Mitgliedsbeitrag und bietet seinen Ärzten Dienstleistungen an, die vom Status des Mitglieds und seines Beitrags abhängen.
"Beachtlich und erfreulich"
Andere Netze richten Geschäftsstellen ein, halten Treffen ab, erarbeiten Behandlungspfade, kommunizieren über gesicherte Verbindungen und arbeiten mit zahlreichen anderen Partnern im Gesundheitssystem zusammen.
KV-Chefin Dr. Monika Schliffke sieht bei den Netzen sechs große Themen, die mit der Förderung angeschoben wurden: koordinierte Behandlungspfade, Heimversorgung, abgestimmte Medikationspläne, elektronische Vernetzung, Terminkoordination nach Dringlichkeit und gemeinsame Fortbildung mit Kliniken. "Es ist beachtlich und erfreulich, was in nur zwei Jahren entstanden ist", resumiert Schliffke.
Voraussetzung für den Erfolg war aus ihrer Sicht eine Professionalisierung der Geschäftsführung, eines der Kriterien in den Förderrichtlinien. "Die ehrenamtlichen Vorstände können sich so der inhaltlichen Arbeit widmen und das tun sie auch mit unverändert viel Engagement", hat die KV-Chefin, die selbst aus der Netzbewegung kommt, beobachtet.
Während sie die professionelle Geschäftsführung als "unbedingt notwendig" erachtet, halten andere sie für aufgezwungen. Es gibt Netze, die auf die Förderung verzichten und lieber ihren eigenen Weg gehen wollen.
Doch das kann erhebliche Nachteile haben - bedeutet es doch nicht nur Verzicht auf Geld, sondern auch auf Anerkennung. Denn wer nicht zertifiziert ist, wird es künftig noch schwerer haben, sich als professioneller Verhandlungspartner für Krankenkassen aufzustellen.
"Das ist schade, denn wir wollen ja, dass sich möglichst viele Netze im Land professionalisieren", sagt der Vorsitzende des Dachverbandes der Praxisnetze in Schleswig-Holstein, Stefan Homann. Er schlägt deshalb vor, dass die Förderkriterien Rücksicht auf den jeweiligen Entwicklungsstand eines Netzes nehmen.
So braucht ein junges Netz nach seiner Beobachtung keine Geschäftsstelle und könnte die Förderung besser in andere Projekte wie etwa prä- oder poststationäre Kooperation investieren - bekommt diese Mittel aber nicht, weil es keine Geschäftsstelle hat. Homann begrüßt die Förderung durch die KVSH, befürchtet aber, dass insbesondere junge und kleine Netze abgehängt werden.
Offene Türen eingerannt
Er fordert deshalb von den bereits anerkannten Netzen, dass sie ihre Erfahrungen teilen und die anderen Verbünde unterstützen. Bei Heike Steinbach-Thormählen, Geschäftsführerin des Eutiner Praxisnetzes, rennt er damit offene Türen ein.
"Fehler müssen nicht von jedem Netz wiederholt werden. Ein Austausch zwischen den Netzen ist sinnvoll", sagt sie und hat dafür auch Unterstützung ihres Vorstandsmitglieder wie etwa Dr. Regina Schulz.
Befördert wird der Austausch im Norden außer über Netztreffen durch die enge Einbindung der Ärztegenossenschaft Nord in die Netzarbeit. Die Organisation beschäftigt nicht nur eine Netzkoordinatorin, die landesweit unterwegs ist, sondern managt auch gleich sieben Verbünde, von denen einige auch finanziell von der KVSH gefördert werden. Von den gesammelten Erfahrungen profitieren also stets alle von ihnen gemanagten Netze.
Neben den Geschäftsstellen ist auch die geforderte Anbindung an das KV SafeNet umstritten und gilt als hohe Hürde. Der fachärztliche Vorstandssprecher des Medizinischen Qualitätsnetzes Westküste (MQW), Dr. Stefan Krüger, berichtet von Vorbehalten seiner Kollegen gegen das SafeNet: "Sie möchten Computer mit Patientendaten nicht gern an das Internet anschließen und das aus recht gutem Grund."
Doch der Förderanreiz ist groß: Auch das MQW strebt nach Angaben Krügers die Förderung an. Dafür müssten sich im ersten Jahr 50 Prozent der Netzmitglieder an das SafeNet anschließen, im zweiten Jahr 75 Prozent, im dritten 100 Prozent.
Schliffke verteidigt die Förderrichtlinien, über die auch in der KV-Abgeordnetenversammlung schon diskutiert wurde, als konsentiert. Die hohen Anforderungen hält sie nach wie vor für richtig: "Warum sollte die solidarische Gemeinschaft aller Ärzte aus ihren Mitteln Netze unterstützen, wenn nicht messbar bessere Versorgungsergebnisse zu erwarten gewesen wären?"