Bundesarbeitsgericht

Das Kreuz mit dem Kreuz

Inwieweit dürfen konfessionelle Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Moral- oder Glaubensvorschriften machen? Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Anspruch anhand europarechtlicher Vorgaben unmissverständlich gestutzt.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Nicht immer dürfen kirchliche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern vorschreiben, was sie im Arbeitsalltag zu glauben haben.

Nicht immer dürfen kirchliche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern vorschreiben, was sie im Arbeitsalltag zu glauben haben.

© LandFoto / Getty Images / iSt

Nicht oft schafft es das Bundesarbeitsgericht (BAG) in die Tagesschau. Doch diesmal ging es ans Eingemachte – um das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Mit ihrem Grundsatzurteil vom Donnerstag haben die Erfurter Richter dies deutlich beschränkt. Maßgeblich ist danach, inwieweit konfessionslose oder andersgläubige Mitarbeiter auf der jeweils konkreten Stelle das kirchliche „Ethos“ und Selbstverständnis beeinträchtigen könnten.

Dabei ist die Übertragung auf die meisten kirchlichen Stellen im Gesundheitswesen schwierig, weil diese sich nach dem kirchlichen Selbstverständnis wohl dichter am Verkündungsauftrag bewegen – etwa in der Pflege.

Doch das aktuelle Urteil macht klar, dass Deutschlands oberste Arbeitsrichter in Sachen Kirchen zwar Kompromisse suchen, sich dabei aber eher an den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg orientieren als an denen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.

In dem nun vom BAG entschiedenen Fall hatte sich eine konfessionslose Frau 2012 auf eine auf 18 Monate befristete Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Gegenstand der Tätigkeit war die Erarbeitung eines Berichts zum Thema Rassendiskriminierung.

Laut Stellenanzeige setzte die Einstellung die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder einer anderen christlichen Kirche voraus.

Stellenbeschreibung beschränkte die Freiheit

Die konfessionslose Bewerberin wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Mit ihrer Klage forderte sie eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 9800 Euro. Das BAG hatte den Streit zunächst dem EuGH vorgelegt.

Der hatte im April betont, dass die Einstellungspraxis der Kirchen einer „wirksamen Kontrolle“ durch die staatlichen Gerichte unterliegen muss.

Zwar könne jede Kirche selbst über ihren „Ethos“ bestimmen. Die Gerichte müssten aber prüfen, ob ein entsprechendes Bekenntnis bezogen auf die konkrete Stelle „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ ist.

Demgegenüber hatte das Bundesverfassungsgericht das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen stets hochgehalten.

In dem Fall des wegen seiner Wiederheirat entlassenen katholischen Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus hatten die Karlsruher Richter 2014 den Kirchen selbst die Entscheidung darüber zugebilligt, „welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können“ (Az.: 2 AZR 746/14).

„Wir sitzen ein bisschen zwischen Luxemburg und Karlsruhe“, sagte in der Verhandlung zur Referentenstelle die Vorsitzende BAG-Richterin Anja Schlewing. Und das Pendel schlug nun deutlich mehr Richtung Luxemburg aus.

Konkret sprach das BAG der konfessionslosen Bewerberin nun 3915 Euro zu, das entspricht zwei Bruttomonatsgehältern. Bei der Referentenstelle habe die Diakonie die Kirchenmitgliedschaft nicht verlangen dürfen.

Richter: Voraussetzungen nicht erfüllt

Zur Begründung erklärten die Erfurter Richter, die hierfür vom EuGH gesetzten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Denn durch eine konfessionslose Mitarbeiterin wäre hier der kirchliche „Ethos“ nicht beeinträchtigt worden.

Denn schon nach der Stellenbeschreibung wäre sie eng in einen Meinungsbildungsprozess der Diakonie eingebunden gewesen und hätte Positionen auch zum untersuchten Thema nicht eigenständig vertreten können.

Diakonie und Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kritisierten das Urteil. Wenn die ausführlichen schriftlichen Gründe vorliegen, wollen sie eine Verfassungsbeschwerde prüfen.

Viel erreichen könnten sie damit wohl kaum. Denn auch laut Bundesverfassungsgericht ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht absolut. Zudem hatte der EuGH betont, dass deutsche Gerichte nationales Recht „unangewendet lassen“ müssten, wenn es gegen EU-Recht verstößt.

Das hatte im Grundsatz auch das Bundesverfassungsgericht schon zugestanden. Und anders kann die Europäische Union auch nicht funktionieren.

Wenn jeder Mitgliedsstaat auf nationale Verfassungsrechtsprechung verweisen könnte, um sich nicht an EU-Recht halten zu müssen, würde die europäische Integration beliebig. Mit einer Verfassungsbeschwerde würden EKD und Diakonie vor allem Schaden anrichten – für den deutschen Rechtsstaat ebenso wie für die EU.

Jetzt ist wieder das Bundesarbeitsgericht dran

Im Streit um den katholischen Chefarzt wird es das BAG schon schwer genug haben, eine Linie zwischen Luxemburg und Karlsruhe zu finden. Hier hatte das BAG die Kündigung zunächst aufgehoben, weil das Krankenhaus bei Nicht-Katholiken eine Wiederheirat akzeptiert.

Das Bundesverfassungsgericht hatte dieses Urteil verworfen, der daraufhin vom BAG angerufene EuGH das Argument der Erfurter Richter dann aber bestätigt.

Nun ist der Streit wieder beim BAG anhängig. Die Verhandlung ist für den 21. Februar 2019 angesetzt, teilte das BAG auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“ mit.

Az.: 8 AZR 501/14

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