Telematikinfrastruktur

Die Baustelle geht über Deutschland hinaus

Für die Bundesregierung spielt die Vernetzung im Gesundheitswesen nicht nur für die Sicherstellung der Versorgung eine wichtige Rolle. Sie ist auch Teil einer binneneuropäischen Gesamtstrategie zur Digitalisierung und zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Gute Verbindung: Es sollen EU-weit Standards für den Datenaustausch entstehen.

Gute Verbindung: Es sollen EU-weit Standards für den Datenaustausch entstehen.

© djama / fotolia.com

BERLIN. Die Zeiten der Blockaden bei der Umsetzung der Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen sind vorbei. Das wird sich auch in der Anhörung zum E-Health-Gesetz an diesem Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags zeigen.

Um mehr als den Feinschliff wird es nicht gehen. Wer hofft, dass wieder etwas von dem Druck, den die Regierung mit dem Gesetz auf die Kassen und Selbstverwaltung der Ärzte ausübt, zurückgenommen wird und dass die angedrohten Sanktionen für Fristversäumnisse fallen, wird sicherlich enttäuscht werden.

Daran ändern auch einzelne Vorstöße wie der aus der KV Hessen nichts, die ihre Mitglieder unlängst aufgefordert hat, sich an der ersten Online-Anwendung - dem Abgleich der Versichertenstammdaten - nicht zu beteiligen.

Der Grund: Das E-Health-Gesetz ist nur ein Baustein innerhalb der digitalen Agenda der Bundesregierung. Aber eben einer, von dem man schnelle und markante Erfolge erwartet.

Welche - insbesondere wirtschaftliche - Kraft sich die Regierung von der Digitalisierung erhofft, zeigte sich erst kürzlich auf der deutsch-französischen Konferenz zum Thema "Beschleunigung des digitalen Wandels in der Wirtschaft" in Paris.

Europa habe bei der Entwicklung des Internets selbst, aber eben auch bei der Entwicklung von Online-Anwendungen "nicht immer die Nase vorn", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Gerade deshalb sieht sie die nun geschlossene Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland in Sachen Digitalisierung als wichtigen Zukunftsschritt in Richtung Industrie 4.0.

Dabei ist der Kanzlerin daran gelegen, dass Standards, die nun in zwei oder mehreren EU-Mitgliedsstaaten erarbeitet werden und gelten, in Zukunft zu Standards in allen 28 Mitgliedsstaaten werden können. Auch die Initiative der Europäischen Kommission zu einer europäischen Cloud wird von der Bundesregierung begrüßt.

Es geht letztlich darum, nicht irgendwann von anderen Staaten wie den USA überholt zu werden.

Auch das machte die Kanzlerin klar: Während in den USA alles erlaubt sei, was nicht geregelt ist, sei in Europa "erst einmal alles verboten, was nicht legislativ niedergelegt ist". Daher müssten "wir gemeinsame Regelungen finden".

Europa will sich nicht abhängen lassen

Aus Industriekreisen - egal, ob kleinen Unternehmen oder Großkonzernen - ist längst zu hören, was in den USA, aber ebenso Schwellenländern technisch gerade im Gesundheitswesen umgesetzt wird. Vernetzung von der Klinik über die Praxis bis hin zum Pflegedienst wird dort bereits gelebt. Telemedizin verharrt nicht nur in Pilotprojekten.

Schätzungen zufolge können mit dem Übergang zu einer Industrie 4.0 - also der Digitalisierung von Produktions- und Arbeitsschritten sowie der Vernetzung - Unternehmen in Deutschland ihre Produktivität um 30 Prozent steigern. Diesen Prozentsatz nennt die Regierung zumindest in ihrer Digitalen Agenda.

Es geht aber um mehr: Deutschland und auch die EU wollen sich ihre Autonomie und Handlungsfähigkeit im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik erhalten.

Das geht nur, mit fortschrittlich tätigen Unternehmen, die in der weltweiten Marktwirtschaft überzeugen können. Sonst können auch im Gesundheitswesen nur Leistungen von außereuropäischen Anbietern eingekauft werden - mit den entsprechenden Risiken für die Daten.

Auf EU-Ebene lassen sich nämlich tatsächlich einheitliche Standards im Einklang mit Privatsphäre und Datenschutz umsetzen. Und es lässt sich sicherstellen, dass die Daten auch innerhalb der EU gespeichert werden.

Gesundheitsprojekt soll den Anfang machen

Wie das funktionieren kann, will man daher bei der Datenverarbeitung und -analyse ausgerechnet im Gesundheitswesen testen. Frankreich und Deutschland wollen hier den ersten Schritt einer Kooperation mit einem "Leuchtturm-Projekt" zu Big-Data-Anwendungen im Bereich E-Health gehen.

Sicherlich, weil es sich hier um äußerst sensible Daten handelt und die Datenschutzhürden besonders hoch sind. Aber eben auch, weil der Nutzen von beiden Ländern als besonders hoch eingeschätzt wird.

Big-Data-Anwendungen könnten dazu beitragen, Krankheiten besser vorzubeugen und zu erkennen; sie könnten aber auch eine kosteneffiziente Behandlung ermöglichen, heißt es in der gemeinsamen Erklärung, die die Wirtschaftsminister beider Länder - Sigmar Gabriel und sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron - zur zukünftigen Zusammenarbeit abgegeben haben.

Wer allerdings nach länderübergreifenden Projekten strebt, muss erst einmal die nötigen digitalen Strukturen im eigenen Land schaffen.

Dafür ist eine Telematikinfrastruktur, die die Leistungserbringer sicher vernetzt, unumgänglich. Und - wie man ebenfalls aus Industriekreisen sehr deutlich hört - es ist tatsächlich wesentlich mehr Zug ins Großprojekt Telematikinfrastruktur gekommen.

Der Druck auf die Gesellschafter der gematik und letztlich auf die Ärzteschaft dürfte also eher zunehmen.

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