Geplantes E-Health-Gesetz

Regierung drückt bei E-Card auf die Tube

Die große Koalition will mit einem E-Health-Gesetz Ärzte und Kassen dazu zwingen, gemeinsam auf die Datenautobahn abzubiegen. Ärzten, die sich der Vernetzung widersetzen, drohen Einschnitte in ihre Budgets, wie der Gesetzentwurf zeigt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Regierung will vernetzte Ärzte. Dafür schaffen sie finanzielle Anreize.

Die Regierung will vernetzte Ärzte. Dafür schaffen sie finanzielle Anreize.

© everythingpossible / fotolia.com

BERLIN. Die Regierung treibt die Einführung von Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) voran. Anreize und Sanktionen sollen Ärzten den Schritt in die elektronische Kommunikation erleichtern.

Das geht aus dem Entwurf eines "Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen" (E-Health-Gesetz) hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Der Entwurf verpflichtet Ärzte und Kassen, bis Ende 2016 bislang papiergebundene Verfahren zu identifizieren, die sich durch elektronische Kommunikation ersetzen ließen.

Zentrale Punkte sind klare Fristen, zu denen einzelne Anwendungen starten sollen. Reißen die Gesellschafter der Gesellschaft für Telematik (gematik) diese Fristen, sollen sie mit Sanktionen rechnen müssen.

Zu den Gesellschaftern zählen auch die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Ärzten, die sich der Vernetzung widersetzen, drohen Einschnitte in ihre Budgets.

Vergütung für E-Arztbriefe

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Bis zum 30. Juni 2016 soll die Telematikinfrastruktur soweit stehen, dass ab dann Ärzte das Stammdatenmanagement (Online-Abgleich und -Aktualisierung) übernehmen können. Das KV SafeNet soll Teil der Infrastruktur werden, die sich zudem auch der Pflege und weiteren Gesundheitsberufen öffnen soll.

Hält die gematik diesen Termin nicht, wird es für die KBV und den GKV-Spitzenverband teuer. Der Gesetzentwurf verdonnert die Vertragspartner dazu, dann ab dem Jahr 2017 mit dem Haushaltsvolumen von 2014 auszukommen, von dem dann noch ein Prozent abgezogen werden soll.

Im Jahr 2014 habe das Haushaltsvolumen der KBV 62 Millionen Euro betragen, hieß es dazu aus Regierungskreisen. 68 Millionen Euro sollen es 2015 werden.

Ärzten, die sich nicht mit der Telematik-Infrastruktur vernetzen wollen, soll die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen solange um ein Prozent gekürzt werden, bis sie die Datenprüfungen vornehmen.

Um Ärzten die Entscheidung zu erleichtern, sieht der Gesetzentwurf auch Anreize vor. In einer zweijährigen Übergangszeit ab Mitte 2016 sollen Ärzte für elektronisch verschickte Arztbriefe jeweils 55 Cent vergütet bekommen, wenn gleichzeitig der Versand durch Post- und Kurierdienste entfällt.

50 Cent soll es für die Entgegennahme elektronisch übermittelter Entlassbriefe aus den Krankenhäusern geben. Ebenfalls ab Mitte 2016 soll mit der konsiliarischen Befundbeurteilung von Röntgenbildern ein telemedizinisches Verfahren zur Verfügung stehen.

Medikationsplan angedacht

Schon zum 30. April 2016 soll eine weitere Anwendung vorbereitet sein: der Medikationsplan. Die Arzneimittelsicherheit hatte in der Folge des Lipobay-Skandals 2001 am Anfang der Überlegungen zur eGK gestanden.

Der Entwurf schafft einen Anspruch für Patienten auf einen Medikationsplan durch den Hausarzt, wenn sie mindestens fünf verordnete Medikamente erhalten. Die Pläne sollen zunächst noch auf Papier ausgegeben werden.

Ab 2018 sollen Notärzte von der E-Card auf die Notfalldaten von Patienten zugreifen können.

Das elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte tauchen im Gesetzentwurf nicht mehr auf. Das bedeute nicht, dass man sie aufgegeben habe, hieß es dazu am Mittwoch im BMG.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 16.01.201514:45 Uhr

Zunächst wollte ich eine Glosse schreiben...

weil ich mir bildhaft vorstellen mochte, wie die "Regierung bei der E-Card auf die Tube drückt"? Etwa auf eine "Tube" mit medizynischer weißer Vaseline, u. a. benötigt für eine bestimmte Art von "digitaler" ärztlicher Untersuchung, damit E-Health-Card-kritische Ärztinnen und Ärzte auf diesem glitschigen Inhalt zu Fall gebracht werden könnten?

Doch weit gefehlt, "auf die Tube drücken" kommt aus dem Englischen: "Tube" ist die Kurzform von "choke tube", ein Teil des Vergasers. Auf die Tube drücken heißt daher eigentlich Automobil-technisch "beschleunigen" oder "die Geschwindigkeit erhöhen". Doch adäquates "auf die Tube drücken" setzt antizipierendes Denken und Lenken voraus. Und das lassen die Gesellschaft für Telematik (gematik), die Bundesärztekammer (BÄK), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband Bund (SpiBu) der GKV-Kassen ebenso wie Groko-"Gesundheits"-Politiker völlig vermissen.

Die neuen elektronischen Gesundheitskarten (eGK), die der GKV immerhin Kosten von über 1 Milliarde Euro zusätzlich bescherten, haben einen lächerlich geringen Speicherplatz. Alle Daten müssen über zentrale Server ausgelagert, beobachtet und verwaltet werden. Jeder persönliche USB-Stick, der zudem noch die vom Bundesverfassungsgericht geforderte informationelle Selbstbestimmung garantierte, wäre kostengünstiger, individualisierter und flexibler gewesen. Das jetzt schon antiquierte gematik-Monstrum hat eine viel zu redundante Struktur mit eingebautem Datenleck.

Die Anspruchshaltungen sind geradezu grenzenlos: Bis 30. Juni 2016 soll die Telematik-Infrastruktur stehen, dass Ärzte das Stammdatenmanagement (Online-Abgleich und -Aktualisierung) übernehmen werden? Das KV SafeNet soll Teil der gematik-Infrastruktur werden, Pflege und weitere Gesundheitsberufe sollen folgen? Dann könnte man doch gleich interessierte Fachkreise, den Medizinischen Dienst der Krankenkassen ("Misstrauensarzt"), die Pharmaindustrie, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Sozialämter, die ARGE oder die Bundesagentur für Arbeit mit vernetzen, damit alle Beteiligten in "Gesundheitsforen" über Krankheiten, alternative Therapien, Patienten/-innen und Ärzte herziehen können? Und der sich über das Unfallopfer beugende Notarzt erfährt mit größtmöglicher Sicherheit die PIN-Nummer und den Dokumentenzugang auf der eGK, b e v o r der Patient mit schwerem Polytrauma in das nächste Transplantationszentrum eingeliefert wird – oder?

Die Extra-Honorierung elektronisch verschickter Arztbriefe, elektronisch übermittelter Entlass-Briefe aus den Krankenhäusern, telemedizinisch-konsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenbildern, Medikationsplänen usw. suggeriert, dass diese Leistungen bisher gar nicht, oder nur unzureichend auf konventionellem Weg erbracht wurden. Vergessen wird dabei, dass Arztpraxen bereits ein Höchstmaß an Vernetzung, Kommunikation und Formularwesen aufweisen. Denn wir Vertragsärzte/-innen betreiben eigentlich hauptamtlich eher Bürokratie-Einrichtungen und nur noch nebenberuflich qualifizierte Arztpraxen.

Ein echter Rohrkrepierer ist der "Anspruch für Patienten auf einen Medikationsplan durch den Hausarzt", wenn diese mindestens fünf verordnete Medikamente bekommen: Verordnungspläne sollen zunächst noch auf Papier ausgegeben werden, fordert die Bundesregierung mit treuherzigem Augenaufschlag. Sie traut damit ihren e i g e n e n Plänen zum Entwurf eines "Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen" (E-Health-Gesetz) selbst gar nicht mehr über den Weg!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wolfgang Bensch 15.01.201522:25 Uhr

wg- "Längst überfällig"

kann ich vielleicht Herrn Huss damit beruhigen:
Petitionsausschuss - 02.07.2014
Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss spricht sich für gesetzliche Regelungen zur Strafbarkeit von Korruption im Gesundheitswesen aus. In der Sitzung am Mittwochmorgen beschlossen die Abgeordneten einstimmig, eine dahingehende Petition dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz als „Material“ zu überweisen sowie den Fraktionen zur Kenntnis zu geben.
http://www.bundestag.de/presse/hib/2014_07/-/285962

Dr. Richard Barabasch 15.01.201510:26 Uhr

Wie belieben Herr Oberlehrer ?

Dass ausgerechnet ein Jurist - denn das ist ja Herr Gröhe - sich so mit dem Tatzenstock in der Hand oberlehrerhaft gegenüber der üblicherweise willfährigen Krankenkassenpflichtversicherte betreuenden gesamten VetragsÄrztschaft offenbart, zeigt (psychologisch gesehen) ausschließlich seine Unfähigkeit zur demokratischen Haltung ! Denn: die Krankenkassenpflichtversicherte betreuende Vertragsärzteschaft hat durchaus legitime, vernünftige, logische und - vor allem - zutreffende zahlreiche Begründungen für eine Ablehnung der Gröhe''sche Diktate vorgetragen und TRÄGT sie vor. Wenn Herr Huss (der erste hier Kommentierende)meint, "es sei an der Zeit" - dann sage ich ihm: ja, dass ER SICH einmal konstruktiv mut den Gegenargumenten der Vertragsärttzteschaft UND des Bumndesärztetages auseinandersetzt und nicht undemokratisch und lobbyverhaftet einer (IT-)Struktur das diese aufwertende Wort redet, wo eben diese SICH permanent, fast alltäglich SELBST ABWERTET durch die TAT-Sachen, dass bislang so gut wie alle "sicheren gesammelten DATEN" geoffenbart wurden, neudeutsch: gehackt ! Da braucht''s nicht mal die Replik auf Herrn Snowdon ! Jeden Tag liest jeder, der die Wahrheit nicht scheut und "überliest", dass wieder "gehackt" wurde. Es geht um nichts als Macht ÜBER andere und gerade Juristen wollten schon immer ihren Dorn im Auge, das Arzt-Sein, in ihren Fängen "be-ukassen" und GÄNGELN. So geht''s aber heutzutage nicht mehr - das weiß inzwischen ´jeder Oberlehrer - nur eben Herr Gröhe (noch!) nicht,
meint
R.B.

Dr. Wolfgang Bensch 14.01.201522:17 Uhr

Wer vertritt "die Ärzteschaft" offiziell?

Sollte es die Bundesärztekammer oder die Kassenärztliche Bundesvereinigung sein, die ja dicht benachbart am Herbert-Lewin-Platz in Berlin liegen?
Aussage eines ÄK-Präsidenten dazu:
"Die BÄK ist die Arbeitsgemeinschaft der LÄKn. Ich (Dr. Günther Jonitz, ÄK-BERLIN) bin dort seit 12 Jahren im Vorstand. Die Arbeit der BÄK könnte verbessert werden, wenn man zu bestimmten Themen eine gemeinsame Meinung bilden würde und diese dann transparent und nachvollziehbar verträte.
Es wäre schon gut, wenn bei Fachthemen die Fachvorsitzenden der Ausschüsse ins Benehmen oder in Kenntnis gesetzt werden würde. Die "Prüfung" der BÄK findet durch den Ärztetag und durch die LÄKn statt."

Dr. Karlheinz Bayer 14.01.201516:01 Uhr

was man früher Demokratur nannte!


Ich denke, es gibt jetzt die Möglichkeit, daß man als Betroffener gegen Willkürgesetze klagen kann.
Es sei denn, Gröhe schafft mit der Einführung der eGK auch das Grundrecht auf freie Berufsausübung ab und ändert den Artikel 12 folgendermaßen:

1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zuwählen. Die Berufsausübung kann durch Willkürmaßnahmen des Bundesgesundheitsministers geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, es sei denn, sie dient der Umsatzvermehrung der IT-Industrie und der Bespitzelung medizinischer Daten.

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