Die Kunstfehler eines toten Arztes

Manipulation von Laborwerten, Therapie ohne Indikation - die Vorwürfe gegen einen Nuklearmediziner aus Hildesheim wiegen schwer. Bloß: der Mann ist tot.

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Kranke Schilddrüse: Ein Hildesheimer Arzt soll zu oft auf Radiojod gesetzt haben.

Kranke Schilddrüse: Ein Hildesheimer Arzt soll zu oft auf Radiojod gesetzt haben.

© dpa

HILDESHEIM (cben). Ein Nuklearmediziner soll in seiner Praxis am Rhön-Klinikum in Hildesheim seine Beleg-Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen durch unnötige Radiojod-Therapien geschädigt haben.

Darauf haben niedergelassene Kollegen die Prüfstelle der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) aufmerksam gemacht, erklärt ein Sprecher des Klinikums im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Daraufhin hat das Gremium die Hälfte der Schilddrüsen-Behandlungen des Kollegen vom Oktober 2011 geprüft und "unter 17 Fällen eine Falschbehandlung festgestellt und vier umstrittene Behandlungen," konkretisierte der Sprecher.

Die ÄKN forderte von dem betroffenen Arzt, Dr. Michael Hofmann, eine Erklärung ein. Vor Ablauf der gesetzten Frist starb Hofmann allerdings im Februar 2012.

Bislang keine Anzeige

Die Ärztekammer stellte daraufhin die laufende Untersuchung ein. Sein Praxisnachfolger alarmierte die Ärztekammer erneut. Seither laufen die Untersuchungen.

Wie viele Patienten von dem möglichen Skandal betroffen sein könnten, sei unklar, so der Kliniksprecher. Über 50 beunruhigte ehemalige Patienten Hofmanns haben sich gemeldet, darunter aber nicht nur Schilddrüsenpatienten.

"Patientenbeschwerden liegen nicht vor", so der Sprecher. Derzeit prüft das Klinikum die Akten der vergangenen vier Jahre, hieß es.

"Das sind hochgerechnet etwa 2000 Schilddrüsen-Patienten", sagt der Sprecher, "wir werden die Patienten im Zweifel kontaktieren."

Das Klinikum sei am 30. März über die Untersuchungsergebnisse unterrichtet worden. Es liege bei der Hildesheimer Staatsanwaltschaft derzeit keine Anzeige vor, korrigierte der Sprecher anderslautende Presseberichte.

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Kommentare
Dr. Eberhard Bell 29.05.201215:28 Uhr

Notwendigeit von Schilddrüsenszintigrafien

Herr Kollege Popert bezweifelt in seinem Kommentar die Notwendigkeit von Schilddrüsenszintgrafien.Ich sehe als Nuklearmediziner die Indikation zur Schilddrüsenszintigrafie durchaus kritisch. Dennoch müssen hier einige Punkte richtig gestellt werden.
Gerade in der Kontrolle eine SD-Karzinoms sind in der Regel die üblichen SD-Szintigrafien überflüssig.
Auch die Behauptung, dass auch heiße Knoten bösartig sein können,ist nicht zielführend. Die Rate maligner Veränderungen eines heißen Knotens liegt unter 1%.
Nach den Leitlinien ist aber weiterhin bei jedem SD-Knoten >1 cm aus gutem Grund indiziert. Die Zahl der warmen oder heißen Knoten ist nämlich deutlich höher als 10%. Nach einer neuen Studie von B. Görges et al(2011)haben sogar die meisten Patienten völlig normale TSH-Werte!
Es bleibt zur weiteren Abklärung nur die Szintigraphie, deren Strahlenbelatung im Vergleich zu vielen anderen Untersuchungen recht gering ist.

Dr. Uwe Wolfgang Popert 25.05.201222:40 Uhr

Wann überhaupt noch SD-Szintigrafien?

Bei dieser Gelegenheit sollte man mal überlegen, wann Schilddrüsen-Szintigrafien noch evidenzbasiert sind. Sicher bei der Kontrolle eines SD-Karzinoms und bei der Abklärung einer Hyperthyreose.
Aber eine Abklärung von SD-Knoten per Szinti ist völlig unnütze Strahlenbelastung: fast 90% der Knoten sind sowieso kalt; und auch heisse Knoten können bösartig sein. Der Erkennntnisgewinn ist gering, die Strahlenbelastung erheblich.
Vielleicht schafft es die Medizin ja, auch ohne Prozesse mit Geschädigten etwas zu lernen.

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