Kooperation der Gesundheitsberufe
Die Versorgung im Team wird an Bedeutung gewinnen
Bei der Sicherstellung der Versorgung wird die Zusammenarbeit der Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen eine wichtige Rolle spielen. Darin waren sich Experten bei einer Veranstaltung der KVWL einig.
Veröffentlicht:Dortmund. Eine stärkere Zusammenarbeit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen ist sinnvoll und wichtig, aber beileibe kein Selbstläufer. „Es bedarf noch sehr viel Detailabstimmung, wir brauchen Klarheit, wer was macht“, sagte Gerhard Herrmann, Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung im nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium, beim „Summit 2023“ der KV Westfalen-Lippe (KVWL). Er stand unter dem Motto: „Ambulante Versorgung unter Druck – Wie Delegation und Kooperation die Versorgung von morgen sichern“.
Das Miteinander der Gesundheitsberufe ist aus Sicht der Politik ein Baustein, um die ambulante Versorgung auf Dauer sicherzustellen, berichtete Herrmann. „Eine wichtige Voraussetzung ist, dass es wirklich den Wunsch nach interdisziplinärem Denken und Handeln gibt.“ Es brauche das Bewusstsein, dass alle an einem Strang ziehen.
„Wir müssen sehen, wo die Schnittmengen sind, in denen wir zusammenarbeiten können“, bestätigte KVWL-Vize Dr. Volker Schrage. Das gelte insbesondere für die Pflege. Pflegefachkräfte könnten die Wundversorgung übernehmen, aber nicht die Diagnosestellung.
„Wir haben keine Zeit mehr, Mauern zu bauen“
Kooperation sei notwendig, um die Versorgung zu gewährleisten, betonte Schrage. „Wir haben keine Zeit mehr, Mauern zu bauen und uns gegenseitig etwas wegzunehmen.“ Die Vertragsärztinnen und -ärzte müssen seiner Meinung nach künftig viel mehr an qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter delegieren. Dann hätten sie selbst mehr Zeit für die brisanten Fälle in den Praxen und könnten gleichzeitig die MFA motivieren und ihnen eine Perspektive bieten.
Vieles, über das zurzeit diskutiert werde, mache die KVWL bereits. Skeptisch sieht der Allgemeinmediziner aber die Heilkundeübertragung an die Pflege oder andere Gesundheitsberufe. In diesem Fall gäben die Ärzte die Initiative ab. Dann dürften sie auch wirtschaftlich nicht in die Pflicht genommen werden, stellte Schrage klar. „Wenn jemand selbst verordnen will, dann ist die wirtschaftliche Verantwortung auch dort zu sehen und nicht bei uns.“
Die sinnvolle Weiterentwicklung der Praxen in Richtung Team-Praxen muss nach seiner Überzeugung flankiert werden von einer Veränderung der Vergütungssystematik. Die Frage sei, ob in Zukunft weiterhin der Arzt-Patienten-Kontakt zwingend nötig sein muss oder ob es auch ein Team-Patienten-Kontakt sein könne. „Es geht nicht mehr um das Ärztehonorar, es geht um die Finanzierung der Praxen“, sagte er. Sie müsse zukunftsfähig sein.
Der EBM muss die Teamleistung abbilden
„Die Teamleistung unter Verantwortung muss im EBM besser abgebildet werden“, forderte Dr. Susanne Armbruster vom Geschäftsbereich Sicherstellung und Versorgungsstrukturen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Ein Ansatz der KBV sei die Mitentwicklung primärärztlicher Zentren. „Investitionen in die Qualifikation von Praxisteams kosten Geld, und das muss auch im EBM abgebildet sein“, sagte sie.
Die Verbesserung der Versorgung durch die intersektorielle und multiprofessionelle Zusammenarbeit liege auch im Interesse der Krankenkassen, sagte der Chef der AOK Nordwest Tom Ackermann. „Wir werden in den nächsten Jahren über Honorarvereinbarungen und Verträge das Unsere dazu beitragen.“ Bis dahin sei es aber noch ein langer Weg.
„Es gibt mit Sicherheit die Erfahrung, dass nicht-ärztliche Berufe eine hochwertige Versorgung leisten können“, sagte Professorin Kerstin Hämel, Gesundheitswissenschaftlerin von der Universität Bielefeld. Bei der Kooperation der Gesundheitsberufe hinke Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. „Die Pflege darf in anderen Ländern mehr, Physician Assistants sind in einigen Ländern schon etabliert.“ Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Berufen sei aber auch im Ausland nicht immer einfach, räumte sie ein.
Gemeinsam regionale Versorgungskonzepte entwickeln
Bei der interprofessionellen Versorgung könne neben der ärztlichen weitere Expertise einbezogen werden, erläuterte Hämel. „Es geht darum, die Fähigkeit zu verbreitern, medizinische Probleme zu lösen.“ Ziel sei es, dass Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit haben für komplexe Fälle.
Angesichts sich abzeichnender großer Versorgungslücken müsse in den Regionen nach Konzepten gesucht werden, die unterschiedliche Professionen einbeziehen, sagte die Präsidentin der Pflegekammer NRW Sandra Postel. „Wir werden gemeinsam schauen müssen, was in der Region möglich ist.“ Dazu gehöre die Prüfung, welcher Beruf jeweils welche Leistungen einbringen kann, das sei von Ort zu Ort unterschiedlich. „Wir müssen größer denken und ein gewisses Vertrauen aufbauen, dass wir gemeinsam die Versorgung sichern wollen“, forderte Postel.