Kommentar
Ethik-Sternstunde mit Haken
Mit stetem Tropfen hat der Bundesgerichtshof (BGH) der Patientenverfügung zum Durchbruch verholfen. Wenn deren Aussage klar ist, darf niemand daran rütteln – Angehörige und Betreuer nicht, Ärzte und Pflegekräfte nicht. Offenbar hat aber die langjährige Diskussion über Wünsche am Ende des Lebens bei Manchem zu einem irrigen Schluss geführt: Wer leidet, wolle sterben. Und wer leidende Menschen am Sterben hindert, müsse daher haften.
„Nein!“, ruft nun der BGH. Eine Trennung zwischen wertem und unwertem Leben verbietet sich. Leben kann unter keinen Umständen ein Schaden sein; daher kann es auch niemals Schadenersatz geben. Die BGH-Rechtsprechung zur Patientenverfügung und nun dieser unmissverständliche Gegenpol – das kann als ethische Sternstunde der deutschen Justiz gelten.
Aber einen Haken gibt es: Die Argumentation gilt auch für Patienten, die eine Patientenverfügung haben. Wer sich darüber hinwegsetzt, muss nach dem BGH-Urteil ebenfalls keinen Schadenersatz zahlen. Das ist folgerichtig, doch so wird die Patientenverfügung eher geschwächt. Angehörigen und Betreuern bleibt nun nur das Betreuungsrecht, um eine Verfügung durchzusetzen. Sollte sich das als unzureichend erweisen, muss der Gesetzgeber nachlegen.
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