Physiotherapeuten & Co.
Heilmittelverbände haben lange Wunschliste für die Zeit nach Spahn
Heilmittelverbände sind nach eigener Wahrnehmung in der Ära Spahn mit ihren berufspolitischen Zielen nicht wirklich vorangekommen. Beim „Therapiegipfel“ wurden Forderungen an die nächste Regierung formuliert.
Veröffentlicht:Berlin. Heilmittelerbringer hoffen darauf, dass eine künftige Bundesregierung ihre zentralen berufspolitischen Forderungen aufgreift. Die Teilnehmer des dritten Therapiegipfels des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) zogen dabei eine kritische Bilanz des in der vergangenen Legislatur Erreichten. Vertreter von Ministerien hatten ihre Teilnahme im Vorfeld abgesagt.
An erster Stelle müsse das Ziel stehen, die Attraktivität der Berufe zu steigern, sagte Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) bei der Diskussionsrunde am Freitag.
Auch nach der im Juli vom Schiedsamt festgelegten Vergütungserhöhung um 14,09 Prozent könnten die Praxisinhaber ihren Angestellten keine angemessenen Gehälter zahlen.
Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssten selbstständige Physiotherapeuten Mitarbeitern eigentlich so viel zahlen, wie im Krankenhaus beschäftigte Kollegen, die nach TVöD bezahlt werden. Das aber sei nicht möglich.
Spahn zieht positives Fazit
Zuvor hatte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem aufgezeichneten Grußwort auf das „gemeinsam“ mit den Heilmittelverbänden Erreichte verwiesen. Er nannte als Beispiel das im März 2020 verabschiedete Gesamtkonzept für die Gesundheitsfachberufe und erwähnte als ein Element das MTA-Reformgesetz.
Die Novellierung weiterer stark veralteter Berufsgesetze ist indes unterblieben. Ein Grund dafür ist der seit Jahren währende Streit über die Akademisierung der Therapeuten-Ausbildung.
Deutschland sei in dieser Hinsicht das Schlusslicht im internationalen Vergleich. „Warum tun wir uns so schwer?“, fragte Andrea Rädlein, Vorsitzende des Deutschen Verbands für Physiotherapie. Dass Akademisierung funktioniert, sei über Jahre hinweg in Modellstudiengängen gezeigt worden. „Wir haben lange genug diskutiert.
Der Ball liegt im Feld der Politik“, befand Professor Annette Probst von der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim (HAWK).
Sie setze angesichts der Beharrungskräfte und Machtspiele zwischen Bund und Ländern nun auf die neue Bundesregierung. Spahn hat in seiner Amtszeit eine Grundsatzentscheidung in dieser Frage vermieden und stattdessen die Laufzeit der 2009 gestarteten Modellstudiengänge nochmals bis Ende 2024 verlängert. Das hatte ihm heftige Kritik von Hochschulen und Heilmittelverbänden eingetragen.
„Deregulierter Weiterbildungsmarkt“
Probst beklagte das Fehlen systematischer Studiengänge, die durch eine Akkreditierung auch qualitätsgesichert seien. Stattdessen habe sich ein „deregulierter Weiterbildungsmarkt“ etabliert, in dem viel Geld verdient werde und der auch in qualitativer Hinsicht befragt werden müsse.
Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbands, attackierte die für Hochschulen zuständigen Bundesländer scharf. Diese forderten zwar Fortschritte bei der Akademisierung, „aber dann passiert nichts“. Das Gesundheitswesen in Deutschland sei stark von traditionellen Interessenkonflikten geprägt Stattdessen müsse Versorgung als Netzwerk verstanden werden, so Knieps, „das funktioniert nicht mehr hierarchisch“.
Das bedeute aber auch, alte Verteilungskriterien infrage zu stellen. „Gebührenordnungen sind mir ein Gräuel“, bekannte Knieps und sprach sich für „Netzwerk-kompatible Vergütungsmodelle“ aus. Erster Schritt dahin könne ein Kriterienkatalog sein, was der vernetzten Versorgung förderlich sei – und was nicht. Aus seiner Sicht müssten sich die im Netzwerk beteiligten Ärzte und Angehörige von Gesundheitsfachberufen „auf Augenhöhe begegnen“.
Fallbesprechung in der Mittagspause?
Indes kommt eine solche interprofessionelle Zusammenarbeit in der Praxis nicht wirklich voran. Andreas Pfeiffer, Vorsitzender des Deutschen Verbands Ergotherapie sowie Vorsitzender des SHV, sieht den zentralen Grund darin, dass diese Kooperation nicht finanziert wird.
„Das passiert nicht nebenbei“ – eine Fallbesprechung könne nicht mal eben in der Mittagspause abgehalten werden. Er prognostizierte aber, man werde angesichts des Fachkräftemangels im deutschen Gesundheitswesen gar nicht an einer interprofessionellen Zusammenarbeit vorbeikommen.
Mit Blick auf die GKV-Finanzen dämpfte Knieps Reformträume für die jetzt begonnene Legislaturperiode. Im kommenden Jahr sei die GKV noch stabil. „Aber 2023 beginnt ein Hauen und Stechen.“