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Heilpraktiker und die Patientensicherheit

Mit den jetzt in Kraft tretenden neuen Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern lässt sich die Patientensicherheit nicht steigern, moniert der Münsteraner Kreis. Gerade in onkologischen Fällen bleibe der Scharlatanerie Tür und Tor offen, so seine Warnung.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Pflanzen, Nadeln und Globuli: Wann nützen und wann schaden sie womöglich dem Patienten bei einer Heilpraktikerbehandlung?

Pflanzen, Nadeln und Globuli: Wann nützen und wann schaden sie womöglich dem Patienten bei einer Heilpraktikerbehandlung?

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MÜNSTER/DORTMUND. Bedeutet Gefahrenabwehr zugleich Patientensicherheit? Für den Münsteraner Kreis lautet die Antwort klar: mitnichten!

Für die Wissenschaftler um die Münsteraner Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert stellen die am Donnerstag (22. März 2018) in Kraft tretenden Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern daher keinen Hebel dar, um die Patientensicherheit bei der Heilpraktikerbehandlung zu erhöhen.

Die Meinung teilt der auf Heilpraktikerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dr. René Sasse aus Dortmund nicht. Seiner Einschätzung nach können die Leitlinien einen Paradigmenwechsel bei der paramedizinischen Berufsausübung einläuten.

Denn: "Bislang galt der Grundsatz, dass die Heilpraktikerüberprüfung keine naturheilkundliche Fachprüfung darstellt, sondern ausschließlich auf den Aspekt der Gefahrenabwehr ausgerichtet ist.

Sie soll die Bevölkerung vor Gefahren bewahren, die durch die Behandlung eines ungeeigneten Heilpraktikers drohen.

Die Überprüfung soll insbesondere gewährleisten, dass der Heilpraktiker über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, zu erkennen, wann eine ärztliche Behandlung angezeigt ist", verdeutlicht Sasse im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

"Denkfehler der Gesundheitspolitik"

Der Münsteraner Kreis bleibt weiterhin bei der im August im "Münsteraner Memorandum Heilpraktiker" erhobenen Forderung nach der Abschaffung des Heilpraktikerberufes.

Aus Anlass des Inkrafttretens oben genannter Leitlinien zerpflücken vier Mitglieder unter Federführung von Professor Jutta Hübner, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie sowie Stiftungsprofessorin für Integrative Onkologie der Deutschen Krebshilfe am Universitätsklinikum Jena, teils ein von Sasse angefertigtes Kurzgutachten zu den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen des Heilpraktikerrechts. Der Berufs- und Fachverband Freie Heilpraktiker hatte dies in Reaktion auf das Memorandum angefordert.

"Grundsätzlich sind Behandlungsfehler von Heilpraktikern nur selten praxisrelevant, weil die weit überwiegende Anzahl der eingesetzten Methoden nicht invasiv ist", schreibt Sasse im Gutachten.

In ihrer Replik, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt, moniert Hübner, Sasses Einschätzung unterliege einem "die Gesundheitspolitik weit durchziehenden Denkfehler" – zumindest im Hinblick auf die Gefahrenabwehr und die Patientensicherheit.

"Schaden entsteht nicht nur durch aktives Tun. Schaden entsteht auch durch Unterlassen des richtigen Tuns im richtigen Moment. Häufig behandeln Ärzte Patienten, die zuerst einem Heilpraktiker vertraut haben und dann in einer metastasierten Erkrankungssituation nur noch palliativ behandelt werden können", führt Hübner argumentativ ins Feld.

Heilpraktiker: Mehr als 128.000 Menschen kommen täglich

In seiner Replik geht der Münsteraner Kreis indes nicht nur mit Sasse hart ins Gericht. Hübner verweist auch auf eine repräsentative Umfrage des Bundes Deutscher Heilpraktiker (BDH), der zufolge täglich mehr als 128.000 Menschen zum Heilpraktiker gehen.

Die BDH-Behauptung, "insbesondere bei der stark ansteigenden Anzahl von Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen oder Befindlichkeitsstörungen, die durch komplementärmedizinische Therapien gut behandelbar sind, kann das Gesundheitssystem durch die Arbeit der Heilpraktiker entlastet werden", weist sie gerade mit Blick auf die von ihrem Gremium propagierte mangelnde Patientensicherheit beim Heilpraktiker zurück.

"Dabei wird verschwiegen, wie viele Patienten erst durch unwissenschaftliche Diagnosemethoden von Heilpraktikern ‚krank gemacht wurden‘.

Man denke nur an die Unzahl an Patienten, die mit angeblichen Nahrungsmittelallergien unnötigen Ernährungseinschränkungen folgen (mit den sich daraus ergebenden mittel- und langfristigen Folgen) oder die durch Pseudodiagnosen die Überzeugung gewinnen, selbst an ihrer Krebserkrankung schuld zu sein und nur mit bestimmten ‚Psychotherapien‘ wieder Heilung finden zu können", erläutert Hübner. Argument und Gegenargument verdeutlichen exemplarisch den Henne-Ei-Charakter der vom Münsteraner Kreis befeuerten Heilpraktiker-Debatte.

Gesetzgeberische Defizite moniert

In einem anderen Punkt wirft Hübner dem Staat quasi einen Totalausfall vor. Zwar sei für Heilpraktiker, wie auch Jurist Sasse hinweise, jede Form der Werbung für eine Krebstherapie unzulässig.

Jedoch habe eine eigene Online-Recherche im Januar bei einem großen Arztbewertungsportal zu dem Hinweis geführt, es gebe 282 Heilpraktiker für Krebstherapie in Deutschland – inklusive Auflistung der Praxen.

"Wie kann es sein, dass der offensichtlich sensibilisierte Gesetzgeber es zulässt, dass ein Heilberuf ohne vorgeschriebene Ausbildung, ohne gesicherte Kontrolle, ohne verbindliches Berufsrecht, ohne gesetzlich normierte Fortbildungspflicht nicht-evidenzbasierte Methoden an Patienten anwenden darf, die an einer Krebserkrankung leiden?", moniert die Krebsspezialistin gesetzgeberische Defizite.

Genau dadurch werde ermöglicht, was der Staat verhindern wolle: "Patienten werden gegebenenfalls ohne ärztliche Kontrolle ‚therapiert‘ und wissen nicht, auf wen sie sich einlassen. Hierdurch geht wertvolle Zeit verloren – und das mit staatlichem Siegel", prangert sie an.

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Kommentare
Rudolf Hege 22.03.201809:49 Uhr

Völlige Unkenntnis der Praxis

Die Theoretiker des Münsteraner Kreises demonstrieren einmal mehr, dass sie von der Praxis offensichtlich wenig Ahnung haben, sondern ihre Expertise in Sachen Heilpraktiker und deren Methoden aus dem Internet zusammenbasteln. Wenn onkologische Patienten zu einem Heilpraktiker gehen, dann tun sie das in der Regel entweder parallel zu konventionellen Therapien oder nachdem solche erfolglos abgeschlossen wurden bzw. zur Rezidivprophylaxe. Immer häufiger kommen Patienten weil sie von den behandelnden Ärzten die Empfehlung bekommen haben, sich zur Weiterbetreuung einen guten Heilpraktiker zu suchen, der sich die Zeit nimmt, eine individuelle (Begleit-)Therapie zusammen zu stellen.

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