Arbeitsmoral

Junge Ärzte kämpfen gegen Vorurteile älterer Kollegen

Stellen Nachwuchsmediziner ihr Bedürfnis nach Freizeit über die Nöte ihrer Patienten und haben zu hohe Anforderungen an Ausbilder und künftige Arbeitgeber? Das ist fatales Schubladendenken, beanstanden junge Ärzte und fordern ein neues Arbeitsklima.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Falsche Vorstellungen vom Klinikaltag können dazu führen, dass der Enthusiasmus junger Ärzte schnell zu Frust wird.

Falsche Vorstellungen vom Klinikaltag können dazu führen, dass der Enthusiasmus junger Ärzte schnell zu Frust wird.

© Kzenon / stock.adobe.com

Die erfahrenen Ärzte sind immer im Dienst, sie leben für ihre Arbeit und bringen zahlreiche Opfer für ihre Patienten – oftmals zulasten ihres privaten Zeitbudgets. Die jungen Ärzte streben eine Karriere nur an, wenn es sich mit der Freizeit vereinbaren lässt. Arzt ist für sie ein Beruf, aber keine Berufung. So oder ähnlich lauten gängige Vereinfachungen, wenn über unterschiedliche Einstellungen der Ärzte-Generationen diskutiert wird.

Um diese unterschiedlichen Einstellungen der Generationen ging es vor Kurzem in einer Diskussionsrunde auf der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock. Weiterbildungsassistent und Sprecher vom Bündnis Junge Ärzte Dr. Kevin Schulte ist solcher Vereinfachungen überdrüssig. Er sah sich im Verlauf der Diskussion zu einer Klarstellung veranlasst: "Es ist Quatsch, dass uns die persönliche Freiheit wichtiger wäre als die Patientenversorgung. Ich wehre mich gegen diese Vorwürfe und Vorurteile. Die Nachwuchsmediziner, die in Klinik und Praxis ihren Dienst leisten, sind hoch motiviert und sie sind mit die besten, die unsere Gesellschaft hat."

Werden junge Ärzte also vorschnell in eine Schublade gesteckt? Sind sie leistungsbereiter, als die älteren Kollegen glauben? Der angehende Internist Schulte bekam für seine Klarstellung donnernden Applaus aus einem Teilnehmerkreis, dem nur wenige seiner Altersklasse angehörten. Erfahrene Ärzte zeigten, dass sie die jungen Kollegen durchaus differenziert betrachten und die Schubladen, in die der Nachwuchs gesteckt wird, von innen kennen. Viele sind in ihrer Aus- und Weiterbildungszeit schon vor Jahrzehnten selbst mit gängigen Vorurteilen über Arbeitsmoral konfrontiert worden. Professor Wolfgang Motz, der am Klinikum Karlsburg arbeitet, brachte die Stimmung, die seine Generation früher von den damals etablierten Kollegen zu spüren bekam, auf den Punkt: "Entweder macht man gute Medizin, oder man geht früh nach Hause." Das erinnert an Sprüche, die junge Ärzte auch heute zu hören bekommen – hat sich also gar nicht so viel geändert in den Einstellungen?

Es gibt einen Wandel, aber zum Positiven. So speist sich die Autorität eines Chefs heute mehr aus seinem fachlichen Können, weniger aus seiner Position. Flache Hierarchien werden immer selbstverständlicher. Früher dagegen war der Chef laut Motz nicht nur eine Instanz, sondern: "Vor dem Chef hatte man Angst." Ein weiterer Unterschied: Die Arbeit im Krankenhaus war früher deutlich entspannter, wie Motz zeigte. Mit der zunehmenden Arbeitsverdichtung sei der Ausgleich, auf den junge Ärzte heute Wert legten, also unverzichtbar und ist damit berechtigt.

Auf der anderen Seite müssen junge Ärzte auch bereit sein, sich mit Kritik, Enttäuschung und Niederlagen auseinanderzusetzen. Nach Beobachtung von Professor Christian Schmidt, Ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin Rostock, kommen junge Ärzte oft mit extrem hohen Erwartungen, die in der Realität nicht oder nur sehr schleppend erfüllt werden können. Kurzfristige Folge sei dann Frust und Enttäuschung, für die im Krankenhausalltag nicht immer Verständnis aufgebracht werden kann.

Warum viele junge Ärzte vielleicht nicht immer den Enthusiasmus zeigen, den andere von ihnen erwarten, könnte aber auch an fehlenden Visionen liegen. Schulte gab zu bedenken, dass das bestehende Gesundheitssystem in Deutschland immer wieder gerne als das Beste, das man kenne, dargestellt wird – trotz seiner nicht zu übersehenden Schwächen. Jungen Ärzten wird oft vermittelt, dass man froh sein könne, wenn dieses Niveau gehalten wird. "Wer hat schon Lust, alles dafür zu tun, damit alles so bleibt, wie es ist", fragte Schulte und verknüpfte dies mit einem Appell: "Wir brauchen Ziele und Visionen."

Daran kann jeder einzelne mitwirken. Wer Verbesserungsvorschläge junger Kollegen mit dem Spruch "Das haben wir schon immer so gemacht" abschmettert, dürfe nicht mit Enthusiasmus rechnen. Kliniken, die neue Kollegen in der Personalabteilung mit der Aussage "Wir sind hier nicht bei ‚Wünsch Dir was‘, sondern bei ‚So ist es‘" begrüßen, zeigten wenig Bereitschaft für ein Arbeitsklima, in dem Aufgeschlossenheit und Flexibilität eine zentrale Rolle spielen. Nur wenn diese Bereitschaft vorhanden sei, könne auch generationsübergreifend an Lösungen für Verbesserungen gearbeitet werden. Dann könnte auch gelingen, was Motz angesichts der steigenden Anforderungen in den Krankenhäusern als Voraussetzung für eine weiter verbesserte Versorgung fordert: "Wir brauchen hoch motiviertes Personal."

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Kommentare
karla Gstaeckbun 07.07.201713:26 Uhr

Erst ich,ich-mindestens Statusverlust,höchstens einiges mehr

Das verkürzte Denken ,dass "Status", in Diktion der elitepartner-Generation, leistunglos von der finanzierenden Bevölkerung zu zuerkennen sei,muss zwangsläufig zu weiter fort schreitendem, erheblichem Ansehensverlust führen.
Und das wäre noch das glimpflichste Szenario in epikritischer Würdigung.
Exemplifiziert an der Kritik des dt. Wissenschaftsrates an der med. Promotionsordnung,dürfte ein einfaches "Ich bin Arzt und deswegen Chef, bitte gib mir" politisch in Zukunft nicht mehr durchsetzbar sein.

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