Elektronische Patientenakte
KV Westfalen-Lippe: Die ePA für alle verlangt Geduld
Die Pilotphase des ePA-Roll-outs wird wichtige Einblicke liefern, hofft die KV Westfalen-Lippe. Klar ist für sie schon jetzt, dass die Praxen für die Umstellung Zeit brauchen werden.
Veröffentlicht:Dortmund. Bei der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle wird vor allem eins gefragt sein: Geduld von allen Beteiligten. „Wir alle müssen lernen, mit der ePA umzugehen“, sagte Jakob Scholz, stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs IT & Digital Health bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) bei einem Online-Pressegespräch.
Zunächst wird es eine eher langsame Verbreitung der ePA geben, erwartet Scholz. Über den Austausch der Praxen werde dann zunehmend Sicherheit entstehen. „Die Voraussetzung ist aber, dass die Systeme funktionieren und die Patienten die ePA auch annehmen“, betonte er.
Westfalen-Lippe beteiligt sich ab dem 15. Januar 2025 mit 50 Praxen an der Erprobung der ePA in einer vierwöchigen Pilotphase. Die Praxen kommen vor allem aus dem Münsterland, dem Kreis Recklinghausen und der Stadt Bochum. Es könnten sich aber auch andere Praxen beteiligen – insbesondere die, die auch beim Roll-out des E-Rezepts schon dabei waren. Auch einige Kliniken sind mit von der Partie.
Handlungsbedarf frühzeitig erkennen
„Wir erhoffen uns von der Begleitung der Praxen direkt von Anbeginn an gute Einblicke in das, was die ePA mit sich bringt“, erläuterte Scholz. Die KVWL wolle frühzeitig erkennen, wo Handlungsbedarf besteht und noch nachjustiert werden muss. Die KVWL arbeite eng mit dem Bundesgesundheitsministerium und der gematik zusammen und werde ihnen die Rückmeldungen aus den Praxen übermitteln, kündigte er an.
Der KVWL-Experte geht davon aus, dass sich die ePA permanent weiterentwickeln wird. „Das ist ein Prozess, der uns wahrscheinlich die nächsten drei, vier, fünf Jahre begleiten wird.“
Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte brauchen keine Angst zu haben, dass sie auf einen Schlag die gesamte Behandlungsdokumentation der Patienten in die ePA überführen müssen, betonte er. „Die Praxen müssen in die Akte die Daten überführen, die in der aktuellen Behandlungsperiode entstehen.“
Wenn Patientinnen und Patienten papierbasierte Dokumente zu Hause haben, können sie diese zu ihrer Krankenkasse bringen, die sie dann in die Akte einpflegen kann, erläuterte Scholz. Oder die Versicherten fotografieren Befunde und andere Dokumente mit der ePA-App ab.
Funktionieren die mehr als 100 verschiedenen PVS-Systeme?
„Wir möchten mit dem Märchen aufräumen, dass die Ärzteschaft nicht digital-affin ist“, sagte KVWL-Vize Dr. Volker Schrage. Das sei überhaupt nicht der Fall. „Aber es macht keine große Freude, wenn wir Systeme bekommen, die nicht in die Praxen passen.“
Schrage sieht jetzt vor allem die Hersteller der Praxisverwaltungssysteme in der Pflicht. „Entscheidend ist, dass die mehr als 100 verschiedenen PVS-Systeme funktionieren.“
Die ePA müsse gleich zu Beginn gut funktionieren, sonst werde sehr viel Frust aufkommen, sagte Schrage. Grundsätzlich ist er aber optimistisch. „Es wird am Anfang ruckeln, aber mit der ePA kann es auf Dauer eine sehr gute Lösung geben, von der wir viel profitieren werden.“
Das sieht auch Hausarzt Andreas große Bockhorn aus Altenberge so, der seit dem Start seiner Praxis im Jahr 2006 alle Patientenakten voll digital führt. „Wir haben mittlerweile einen großen Schatz an Befunden“, berichtet er. Die Praxis hat sich auch an der Einführung der ePA alter Form im Jahr 2021 beteiligt. „Es ist eigentlich kein Problem, die Patienten davon zu überzeugen“, berichtete er. Das größte Hindernis sei bislang, dass die Nutzung der Akte bislang für die Versicherten mit viel Aufwand verbunden sei.
Höhere Sicherheit für Ärzte und Patienten
Wenn alle Kolleginnen und Kollegen bei der ePA mitmachen, wird das den Informationsaustausch verbessern und beschleunigen, hofft er. Zudem gewinnen Ärzte und Praxisteams Zeit, weil sie den Informationen nicht mehr hinterhertelefonieren müssen.
Große Bockhorn ist Palliativmediziner und betreut auch die Patientinnen und Patienten aus anderen Praxen. „Da erhoffe ich mir für die Zukunft, dass ich mit einem einfachen Blick auf das Tablet oder Handy des Patienten sehen kann, was bislang gewesen ist“, sagte er. Das bedeute sowohl für ihn selbst als auch die Patienten eine höhere Sicherheit.
Spelmeyer: Entlastung kommt, aber nicht sofort
„Selbstverständlich wird es zu einer Entlastung der Praxen kommen, aber das wird nicht von heute auf morgen geschehen“, sagte der KVWL-Vorsitzende Dr. Dirk Spelmeyer. Das brauche Zeit, und die nötige Zeit sollte man den Praxen geben. „Die stöhnen und ächzen jetzt schon, weil sie am Limit sind.“
Zeit werden die Praxen nach seiner Einschätzung vor allem benötigen, um die Patienten aufzuklären. „Sie werden überfrachtet werden mit einer Menge von Fragen.“ Diese Zeit werde bei der Behandlungszeit fehlen. (iss)