Auch für Asthma-/COPD-Patienten

Keine Rauchstopp-Arzneien auf Kassenkosten

Sollen die Krankenkassen lungenkranken Rauchern Arzneien zur Entwöhnung bezahlen dürfen? Das Landessozialgericht Brandenburg schiebt dem GBA einen Riegel vor.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

BERLIN. Patienten mit Asthma und COPD können weiterhin keine Arzneimittel zur Tabakentwöhnung verordnet bekommen.

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat jetzt eine entsprechende Beanstandungsverfügung des Bundesgesundheitsministeriums gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) für rechtmäßig erklärt.

Im Februar 2012 hatte der GBA es befürwortet, dass Patienten im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme für Asthma und COPD Unterstützung bei der Tabakentwöhnung bekommen können. Der Schwerpunkt sollte bei nicht-medikamentösen Maßnahmen liegen, insbesondere der Verhaltenstherapie. Ergänzend sollten aber auch Medikamente verordnungsfähig sein.

Im April 2012 hatte das Bundesgesundheitsministerium dies beanstandet. Die Verordnung von Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht mit dem Gesetz vereinbar.

Als "Lifestyle-Arzneimittel seien diese generell von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Dies hat das LSG nun bestätigt.

Die strikte gesetzliche Ausschlussregelung lasse Ausnahmen nicht zu. Eine Revision zum Bundessozialgericht (BSG) ließ das LSG nicht zu, der GBA kann aber dagegen beim BSG Beschwerde einlegen.

Drei weitere Urteile gefällt

Drei einschränkende Beschlüsse des GBA bestätigten die Berliner Richter dagegen. Im zweiten Streit ging es ebenfalls um eine Beanstandungsverfügung des Gesundheitsministeriums. Im Juni 2010 hatte der GBA eine Verordnungseinschränkung für Glinide zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 beschlossen.

Hier verwarf das LSG die Beanstandung, weil das Ministerium die gesetzliche Frist von zwei Monaten überschritten habe. Es habe rechtswidrig versucht, die Beanstandung bis nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) Anfang 2011 zu verzögern.

Weiter bestätigte das LSG, dass das homöopathische Arzneimittel Otovowen® als Otologikum von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Kassen ausgeschlossen ist.

Im vierten Fall wiesen die Berliner Richter die Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte ab. Sie hatte kritisiert, ihre Stellungnahme zu Einschränkungen für die Tumorbehandlungen begleitende Misteltherapie sei unzureichend berücksichtigt worden. Nach Überzeugung des LSG ist dies aber unzutreffend.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist bundesweit erstinstanzlich für Klagen gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss zuständig. In den letzten drei Fällen ließen die Richter die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu. Alle vier Fälle sind noch nicht rechtskräftig.

Az.: L 9 KR 309/12 KL (Tabakentwöhnung)

L 7 KA 44/11 KL (Glinide)

L 7 KA 33/12 KL WA (Otovowen®)

L 7 KA 113/12 KL (Anthroposophische Ärzte)

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 29.05.201514:44 Uhr

die Dummköpfe denken wohl an die hohe Tabaksteuer

Sehr sehr kurzsichtig!

Katrin Koelle 28.05.201513:43 Uhr

Von wegen, "Lifestyle"

Angesichts der gravierenden Folgen der Nikotinabhängigkeit ist es purer Zynismus, so zu tun, als handele es sich beim Rauchen sich um ein "Lifestyle"-Problem. Glücklicherweise gilt die Abhängigkeit von Alkohol offiziell längst als das, was sie ist: eine Erkrankung, die entsprechend auch auf Kosten der Krankenkasse oder anderer Träger behandelt wird.

Die Zeiten, wo man Alkoholabhängigen riet "reiß dich einfach zusammen", sind zum Glück vorbei. Wie jeder Betroffene und jeder Fachmediziner weiß, ist die psychische Nikotinabhängigkeit aber mindestens genauso schwerwiegend und genauso schwer zu stoppen.

Es wäre also allerhöchste Zeit, dass auch diese Erkrankung als solche bezeichnet und behandelt wird. Urteile, die Menschen mit schwerer Sucht- und schwerer Folgeerkrankung quasi zu uneinsichtigen Genussmittel-Missbrauchern stempeln, sind da nicht nur kontraproduktiv, sondern anachronistisch.

Kurzsichtig und letztlich absurd ist diese Politik außerdem. Denn mit der Übernahme der Kosten von medikamentösen und therapeutischen Maßnahmen für Nikotinabhängige ließen sich bei Erfolg derselben schließlich die ungleich viel höheren Kosten von Folgeerkrankungen vermeiden, die dann die Kassen auf jeden Fall tragen müssen.

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