Regierung bleibt dabei
Rauchstopp-Arzneien sind Lifestyle
Einmal Lifestyle, immer Lifestyle: Allen Appellen von Wissenschaftlern zum Trotz hält die Regierung am Ausschluss der medikamentösen Nikotinersatztherapie von der Erstattung fest.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Bundesregierung zeigt sich hart bei der Erstattung von Medikamenten für die Raucherentwöhnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie sind und bleiben demnach "Lifestyle"-Präparate nach Paragraf 34 Absatz 1 Satz 7 SGB V.
Darunter versteht der Gesetzgeber Arzneimittel, "bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht". Auf die Frage, ob sich diese Einschätzung mit Blick auf Medikamente zur Raucherentwöhnung geändert habe, braucht Ingrid Fischbach (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, nur ein Wort: "Nein."
Der "Lifestyle"-Passus ist im Jahr 2004 mit dem Gesundheits-Modernisierungs-Gesetz in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen worden.
Die Linksfraktion, die in einer parlamentarischen Anfrage die aktuelle Haltung der Bundesregierung ermitteln wollte, hält deren Kampf gegen die Tabaksucht für "reine Schaufensterpolitik".
"Wirksame Arzneimittel gegen schwere Erkrankungen per Gesetz von der Erstattung auszuschließen, ist rechtlich absurd und für die Betroffenen eine Katastrophe", kommentiert der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Tempel, die Antwort.
"Therapieerfolg wird erhöht"
Dabei konzediert die Regierung, dass "alle auf dem Markt befindlichen nikotinhaltigen Präparate den Therapieerfolg erhöhen". Eine medikamentöse Unterstützung hält das BMG aber nur für sinnvoll, "wenn die Motivation zur Beendigung des Tabakkonsums gegeben ist und zugleich eine Auseinandersetzung mit den Rauchgewohnheiten stattfindet". Auch würden die Präparate in der Praxis häufig falsch angewendet, heißt es.
Auf wissenschaftliche Debatten, denen zufolge die Tabakabhängigkeit sich nicht von anderen Abhängigkeitserkrankungen unterscheidet, bei denen die GKV sehr wohl zahlt, lässt sich die Regierung nicht ein.
Da es sich bei den Entwöhnungsmitteln um Präparate handele, "deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist, ist jeder Verbraucher für deren Finanzierung selbst verantwortlich", heißt es.
Zudem lägen die Tagestherapiekosten in einem Bereich, "den Versicherte auch wegen der eingesparten Kosten für Zigaretten selbst finanzieren können". Dass sich medizinische Fachgesellschaften, Deutsche Herzstiftung und das Deutsche Krebsforschungszentrum ebenfalls für die Aufnahme der medikamentösen Behandlung in den Leistungskatalog ausgesprochen haben, ficht die Regierung nicht an.
Studien unter anderem durch den Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem haben die Kosteneffektivität der Nikotinersatztherapie belegt. Das BMG hält dem entgegen, dass es kaum Studien zur Kosteneffektivität der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Gruppenprogramme gebe.
GBA in die Schranken gewiesen
Insoweit sei nicht klar, inwiefern der Einsatz von Medikamenten einen zusätzlichen Effekt generiere. Die Linksfraktion hingegen hält die geltende Regelung für "Murks". Es sei nicht zu rechtfertigen, arzneimittelgestützte Methoden anders zu behandeln als etwa die Gesprächstherapie, sagte der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion.
Das BMG lässt erkennen, dass es den Gemeinsamen Bundesausschuss auch künftig an die Kandare nehmen wird, wenn dieser versucht, medikamentöse Maßnahmen in die Regelversorgung zu heben. Im Februar 2012 hatte der GBA - gegen die Stimmen der Kassenvertreter - einer Richtlinie zugestimmt, mit der Anforderungen an das DMP Asthma/COPD aktualisiert werden sollten.
Darin waren auch medikamentöse Maßnahmen für ausstiegsbereite Raucher vorgesehen. Das BMG kassierte diese Regelung und bezeichnet sie auch in ihrer Antwort als "rechtswidrig".
Die größte Erfolgsaussicht haben nach Ansicht des Ministeriums "modulare Rauchentwöhnungskonzepte, die motivationsfördernde, abstinenzbegünstigende Maßnahmen und Selbstkontrolltechniken mit Verfahren zur Bewältigung von Risikosituationen (...) kombinieren".
Mit dieser Position bringe die Regierung "einen paternalistischen Erziehungscharakter in die Gesundheitsversorgung", durch den sinnvolle Gesundheitsleistungen "rationiert" würden, erklärte der Abgeordnete Tempel für die Linksfraktion. (fst)