Regierung bleibt dabei

Rauchstopp-Arzneien sind Lifestyle

Einmal Lifestyle, immer Lifestyle: Allen Appellen von Wissenschaftlern zum Trotz hält die Regierung am Ausschluss der medikamentösen Nikotinersatztherapie von der Erstattung fest.

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Stopp dem Rauch: Hilfen per Arzneien will die Regierung nicht in die Erstattung holen.

Stopp dem Rauch: Hilfen per Arzneien will die Regierung nicht in die Erstattung holen.

© Robert Schlesinger / dpa

BERLIN. Die Bundesregierung zeigt sich hart bei der Erstattung von Medikamenten für die Raucherentwöhnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie sind und bleiben demnach "Lifestyle"-Präparate nach Paragraf 34 Absatz 1 Satz 7 SGB V.

Darunter versteht der Gesetzgeber Arzneimittel, "bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht". Auf die Frage, ob sich diese Einschätzung mit Blick auf Medikamente zur Raucherentwöhnung geändert habe, braucht Ingrid Fischbach (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, nur ein Wort: "Nein."

Der "Lifestyle"-Passus ist im Jahr 2004 mit dem Gesundheits-Modernisierungs-Gesetz in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen worden.

Die Linksfraktion, die in einer parlamentarischen Anfrage die aktuelle Haltung der Bundesregierung ermitteln wollte, hält deren Kampf gegen die Tabaksucht für "reine Schaufensterpolitik".

"Wirksame Arzneimittel gegen schwere Erkrankungen per Gesetz von der Erstattung auszuschließen, ist rechtlich absurd und für die Betroffenen eine Katastrophe", kommentiert der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Tempel, die Antwort.

"Therapieerfolg wird erhöht"

Dabei konzediert die Regierung, dass "alle auf dem Markt befindlichen nikotinhaltigen Präparate den Therapieerfolg erhöhen". Eine medikamentöse Unterstützung hält das BMG aber nur für sinnvoll, "wenn die Motivation zur Beendigung des Tabakkonsums gegeben ist und zugleich eine Auseinandersetzung mit den Rauchgewohnheiten stattfindet". Auch würden die Präparate in der Praxis häufig falsch angewendet, heißt es.

Auf wissenschaftliche Debatten, denen zufolge die Tabakabhängigkeit sich nicht von anderen Abhängigkeitserkrankungen unterscheidet, bei denen die GKV sehr wohl zahlt, lässt sich die Regierung nicht ein.

Da es sich bei den Entwöhnungsmitteln um Präparate handele, "deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist, ist jeder Verbraucher für deren Finanzierung selbst verantwortlich", heißt es.

Zudem lägen die Tagestherapiekosten in einem Bereich, "den Versicherte auch wegen der eingesparten Kosten für Zigaretten selbst finanzieren können". Dass sich medizinische Fachgesellschaften, Deutsche Herzstiftung und das Deutsche Krebsforschungszentrum ebenfalls für die Aufnahme der medikamentösen Behandlung in den Leistungskatalog ausgesprochen haben, ficht die Regierung nicht an.

Studien unter anderem durch den Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem haben die Kosteneffektivität der Nikotinersatztherapie belegt. Das BMG hält dem entgegen, dass es kaum Studien zur Kosteneffektivität der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Gruppenprogramme gebe.

GBA in die Schranken gewiesen

Insoweit sei nicht klar, inwiefern der Einsatz von Medikamenten einen zusätzlichen Effekt generiere. Die Linksfraktion hingegen hält die geltende Regelung für "Murks". Es sei nicht zu rechtfertigen, arzneimittelgestützte Methoden anders zu behandeln als etwa die Gesprächstherapie, sagte der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion.

Das BMG lässt erkennen, dass es den Gemeinsamen Bundesausschuss auch künftig an die Kandare nehmen wird, wenn dieser versucht, medikamentöse Maßnahmen in die Regelversorgung zu heben. Im Februar 2012 hatte der GBA - gegen die Stimmen der Kassenvertreter - einer Richtlinie zugestimmt, mit der Anforderungen an das DMP Asthma/COPD aktualisiert werden sollten.

Darin waren auch medikamentöse Maßnahmen für ausstiegsbereite Raucher vorgesehen. Das BMG kassierte diese Regelung und bezeichnet sie auch in ihrer Antwort als "rechtswidrig".

Die größte Erfolgsaussicht haben nach Ansicht des Ministeriums "modulare Rauchentwöhnungskonzepte, die motivationsfördernde, abstinenzbegünstigende Maßnahmen und Selbstkontrolltechniken mit Verfahren zur Bewältigung von Risikosituationen (...) kombinieren".

Mit dieser Position bringe die Regierung "einen paternalistischen Erziehungscharakter in die Gesundheitsversorgung", durch den sinnvolle Gesundheitsleistungen "rationiert" würden, erklärte der Abgeordnete Tempel für die Linksfraktion. (fst)

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Kommentare
Dr. Ulf Ratje 22.01.201411:39 Uhr

Gerichtliche Durchsetzung der Kostenerstattung von Raucherentwöhnungstherapie erforderlich!

Konnte sich die CDU in der vergangenen Legislaturperiode mit ihrer Meinung noch hinter der FDP verstecken, so hat sie nun Farbe bekannt. Die Linke spricht sich für die Kostenerstattung aus. Die Grünen hatten bereit im vergangenen April einen Antrag im Bundestag eingebracht, in dem die Kostenerstattung von Medikamenten zur Tabakentwöhnung innerhalb strukturierter Therapieprogramme von den Krankenkassen bezahlt werden sollten. Die SPD hat sich bisher nicht positioniert. Allen wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnissen zum Trotz und im Widerspruch zum in der Verfassung verankerten Recht auf Gleichbehandlung hat bei Parteien in Regierungsverantwortung bis heute kein Umdenken stattgefunden. Aufgrund von 110.000 bis 140.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland durch raucherabhängige Erkrankungen mit einer Lebenszeitverkürzung von durchschnittlich 10 Jahren ist diese Position in meinen Augen nicht nur verfassungswidrig und gegen jede wissenschaftlich-medizinische Vernunft, sie missachtet in grobem Maße die Fürsorgepflicht des Staates.

Mittlerweile sind verschiedene Klageverfahren vor den Sozialgerichten angelaufen, um an dieser unhaltbaren Situation etwas zu ändern. Voraussichtlich in diesem Sommer wird es - 2 Jahre nach Einreichung der ersten Klage - zur ersten Verhandlung und einem ersten Urteil kommen. Es ist bedauerlich, dass die Regierenden wie so oft erst unter dem Druck der Gerichte zur Änderung ihrer Politik bereit sind.
Dr. med. Ulf Ratje, Praxis Prinzenstraße, Eckernförde
Stellv. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung e.V. (www.dgntf.de)

Dr. Thomas Georg Schätzler 17.01.201417:15 Uhr

Stopp von "Lifestyle-Rauchstopp-Arzneien" sichert Zigaretten-Steuereinnahmen!

Flankierende medikamentöse Maßnahmen für Ausstiegs-bereite Raucher, im DMP Asthma Bronchiale/COPD vom G-BA ausdrücklich vorgesehen, kassierte das Bundesgesundheitsministerium (BGM) als "Lifestyle"-Präparate nach Paragraf 34 Absatz 1 Satz 7 SGB V. Und bezeichnet diese auch noch in ihrer Antwort als "rechtswidrig", o h n e die rechtliche Beurteilung als Heileingriff bei Nikotin-Abhängigkeitserkrankung inhaltlich und formal auch nur prüfen zu wollen.

Wie gut, dass das BGM und damit die Bundesregierung nicht die geringsten Skrupel haben, Tabak- und Mehrwert-Steuereinnahmen bei Rauchern, wie übrigens auch bei Alkohol-"Konsumierenden" (Gender-korrekt), ohne Abstriche zur Sanierung des Bundeshaushaltes einzusetzen. Und keinen Cent davon auch nur ansatzweise zur Suchtprävention, zur Entschädigung für Folgekosten oder zur Entlastung von GKV und PKV davon abzuzweigen, die für die Krankheitsfolgen von Tabak- und Alkohol-Missbrauch schon in Vorleistung getreten sind.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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