Machtwort zu E-Health
Keine Verzögerungen mehr!
Auch ein Teil der Opposition macht beim E-Health- Gesetz mit. Das ist in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes im Bundestag deutlich geworden.
Veröffentlicht:BERLIN. Zwölf Jahre nach dem Beschluss, die elektronische Gesundheitskarte einzuführen, hat der Bundestag am Freitag erstmals darüber debattiert, dieses Vorhaben ernsthaft umzusetzen.
Außer dem Bild des Inhabers unterscheidet die eGK bislang nichts von der Versichertenkarte, die sie abgelöst hat. Über Anwendungen wie das Stammdaten- und Notfallmanagement, Medikationspläne und sogar eine umfassende, sektorenübergreifende elektronische Patientenakte haben die Akteure der Selbstverwaltung mehr als zehn Jahre lang ohne greifbare Ergebnisse diskutiert. Im Schnitt 100 Millionen Euro im Jahr haben sie dafür ausgegeben, mehr als eine Milliarde Euro insgesamt.
"Verzögerungen werden wir nicht mehr hinnehmen", sagte Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) bei der ersten Lesung des Entwurfes des "E-Health-Gesetzes" im Bundestag.
Es gehe nicht nur um mehr Effizienz und Kostenersparnis, es gehe um bessere Medizin.
"Digitale Vernetzung kann Leben retten", warb die Staatssekretärin für das Gesetz. Als Beispiel nannte sie die Einführung eines Medikationsplans, weil zu viele Menschen unter unerwünschten Nebenwirkungen von Polymedikation leiden müssten. Ausgerechnet diese Anwendung findet sich jedoch nicht auf der Gesundheitskarte, sondern wird in Papierform gestartet.
Widmann-Mauz kündigte zudem eine Verschärfung des Datenschutzes an. Die Regierung plane strafrechtliche Konsequenzen für unerlaubte Zugriffe auf Daten der Versicherten.
Zimmermann: Weg mit E-Card!
Die elektronische Gesundheitskarte verbessere nicht die Gesundheit, sondern ökonomisiere das Gesundheitswesen, kritisierte Pia Zimmermann von der Linken das Projekt.
Damit gelangten Daten von 70 Millionen Versicherten in die falschen Hände, vor allem der der Versicherungs- und Pharmakonzerne. Die eGK gehöre eingestampft, sagte Zimmermann.
Mit dieser Ansicht steht die Linke allerdings allein. Maria Klein-Schmeink von den Grünen kündigte an, dass ihre Fraktion das E-Health-Gesetz unterstützen werde. Sie forderte, in den anstehenden Beratungen die Zugriffsrechte der Versicherten auf ihre Daten zu stärken.
Von der Telemedizin erwartet Dr. Katja Leikert (CDU) Verbesserungen bei der Versorgung chronisch kranker Menschen. Es müsse schnell zu mehr Abrechnungsziffern für diese Verfahren kommen, forderte sie den Bewertungsausschuss auf, tätig zu werden.
Das E-Health-Gesetz werde eine "phänomenale Dynamik" auslösen. Leikert blickte sogar über das Gesetz hinaus. "E-Health 2" solle Versorgungsforschung in Big Data ermöglichen. Es sei ein "Skandal", dass viele Gesundheitsdaten bislang nicht genutzt werden könnten.
Gassen hat Zweifel an Sicherheit der Daten
Die Vertragsärzte bleiben skeptisch. Angesichts der erfolgreichen Hackerangriffe auf den Bundestag "sieht man die Aussage, die Daten seien sicher, mit einem gewissen Stirnrunzeln", sagte KBV-Vorsitzender Dr. Andreas Gassen der dpa.
Die Karte sei kein Medium, um Doppeluntersuchungen und Kreuzmedikationen zu vermeiden. Gassen rügte, grundsätzlich sei ungeklärt, wo die Patientendaten abgelegt würden. "Auf einem großen Server? Wo steht der Server? Wer hat Zugriff?", fragte Gassen.
Der KBV-Chef signalisierte allerdings auch Bereitschaft zur Kooperation. Er sicherte zu, dass die KVen ihr Datennetz nicht aufgebaut haben, um Parallelstrukturen zu schaffen.
"Sobald das System funktioniert, wird das bestehende KV-Netz angedockt. Dann gibt es nur noch eine Datenautobahn", so Gassen.
Kosten und Nutzen stünden bislang in keinem Verhältnis, sagte IKK-Vorstand Hans Peter Wollseifer. Bis 2020 gehen die Kassen von Gesamtkosten von 4,5 Milliarden Euro für den Aufbau der Telematik-Infrastruktur und die Ausgabe neuer Karten aus.
Elsner fordert Korrekturen
Nicht nachvollziehbar sei die geplante Vergütung für das Einlesen und Versenden elektronischer Arztbriefe, sagte vdek-Chefin Ulrike Elsner.
"Es kann nicht sein, dass Praxen eine Extra-Vergütung erhalten, wenn sie eine Anwendung nutzen, die ihnen Geld spart", forderte Elsner Korrekturen am Gesetzentwurf.
Im Gesetz fehle das erwartete politische Signal als Startschuss für komplexe eHealth-Anwendungen, welche die Versorgung über die Sektoren hinweg integrierten, beklagte Dr. Michael Meyer, stellvertretender Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Elektromedizinische Technik.
Dazu gehörten Telemonitoring-Lösungen zum durchgehenden Management chronischer Erkrankungen in den eigenen vier Wänden oder auch die Vernetzung von Medizinern und Gesundheitseinrichtungen untereinander.
"Auch für diese komplexen eHealth-Anwendungen brauchen wir ein ebenso deutliches politisches Signal, wie es die gesetzliche Regelung zum Telekonsil für Röntgenaufnahmen für die Telemedizin ist", sagte Meyer.