Masern-Impflicht

Kitas dürfen manchmal den „Beweiswert des ärztlichen Attests erschüttern“

Genügt ein ärztliches Attest zur Impfunfähigkeit, um der Masern-Impfflicht in Kitas oder Horten zu entgehen? Das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen hat entschieden.

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Für Kinder, die in bestimmte Tageseinrichtungen aufgenommen werden sollen, wurde vor einem Jahr mit dem Masernschutzgesetz eine Impfpflicht eingeführt.

Für Kinder, die in bestimmte Tageseinrichtungen aufgenommen werden sollen, wurde vor einem Jahr mit dem Masernschutzgesetz eine Impfpflicht eingeführt.

© Astrid Gast / stock.adobe.com

Bautzen. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat die Masern-Impfpflicht für Kitas und andere Betreuungseinrichtungen gestärkt. Nach einem kürzlich veröffentlichten Beschluss können die Einrichtungen bei erheblichen Zweifeln an einer vorgelegten Impfunfähigkeitsbescheinigung die Aufnahme eines Kindes ablehnen und konkretere Nachweise der Gründe dafür verlangen, warum das Kind nicht geimpft werden kann.

Im entschiedenen Fall sollte eine 2014 geborene Grundschülerin aus Neukirchen im Erzgebirge nach der Schule den von der Gemeinde angebotenen Hort besuchen. Laut Infektionsschutzgesetz ist hierfür ein Impf- oder Immunitätsnachweis gegen Masern nötig.

Stattdessen legten die Eltern aber eine von einer Ärztin ausgestellte Impfunfähigkeitsbescheinigung vor. Dies führe zu einem automatischen Betreuungsanspruch. Die Einrichtungen hätten nicht das Recht, die Bescheinigungen zu prüfen.

Einrichtungen dürfen es genauer wissen wollen

Demgegenüber entschied das OVG Bautzen, dass in solchen Fällen „der Beweiswert des ärztlichen Attests erschüttert werden kann“. Um das Betreuungsverbot für Kinder ohne Immunitätsnachweis durchzusetzen, seien die Einrichtungen nicht auf eine rein formelle Prüfung beschränkt.

Zur Begründung verwies das OVG auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Danach kommt dem ärztlichen Attest zwar ein „hoher Beweiswert“ zu, der Arbeitgeber kann diesen aber erschüttern. Gegebenenfalls muss dann der Arbeitnehmer seinen Arzt von der Schweigepflicht entbinden.

Diese Rechtsprechung sei auf die Impfunfähigkeitsbescheinigung übertragbar, so das OVG. Im Streitfall lägen auch ausreichende Anzeichen vor, um den Beweiswert des Attests in Frage zu stellen. Das gesamte Verhalten der Eltern deute darauf hin, dass sie für ihre Kinder eine Betreuung ohne Masernimpfung anstrebten. Die gesundheitlichen Gründe hierfür seien „quasi aus heiterem Himmel“ genommen.

Erbliche Vorbelastung mit Krebs ist kein Grund

Auch für den Bruder der Grundschülerin habe dieselbe Ärztin eine Impfunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Als Grund habe die Mutter dann angegeben, ihr Sohn schiele und es bestehe eine erbliche Vorbelastung mit Krebs. Damit lasse sich eine Kontraindikation gegen die Impfung aber nicht begründen, so das OVG.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits Eilanträge gegen die Masern-Impfpflicht für Kita-Kinder abgelehnt und will voraussichtlich noch dieses Jahr auch im Hauptverfahren entscheiden. (mwo)

Sächsisches Oberverwaltungsgericht Bautzen, Az.: 3 B 411/20

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