Deutschland
Labore haben noch Puffer für SARS-CoV-2-Tests
Deutschland ist bei der Testung auf SARS-CoV-2 nahezu Weltspitze. Die deutschen Labore sind zuversichtlich, auch mit einem weiter steigenden Bedarf klarzukommen. Aktuell wird weniger als die Hälfte der Kapazitäten abgerufen.
Veröffentlicht:Berlin. Politisch stehen die Zeichen in der Corona-Krise derzeit auf vorsichtige Entspannung. Das spiegelt sich auch bei den Laboruntersuchungen wider, die in Deutschland im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 durchgeführt werden. Nach Angaben der Akkreditierten Labore in der Medizin e.V. (ALM) wurden in der vergangenen Woche deutschlandweit 260 000 PCR-Tests auf SARS-CoV-2 angefordert.
Das sind rund 10 Prozent weniger als in der Woche davor (15. KW) und rund 20 Prozent weniger als in KW 14. Der Anteil der Tests, die positiv ausfielen, lag in KW 16 bei 6,8 Prozent. Auch das ist in der Tendenz rückläufig: In KW 15 waren es 8,2 Prozent und in KW 14 noch 9,1 Prozent.
4,5 Millionen Tests pro Woche?
Weiterhin gelte, dass die Gesamttestkapazität in den deutschen Labore die Nachfrage deutlich überschreite, sagte ALM-Vorsitzender Dr. Michael Müller. In KW 16 hätte es Kapazitäten für rund 600 000 Tests gegeben, in der derzeitigen KW 17 dürfte diese Zahl voraussichtlich auf rund 640 000 Tests steigen.
Ob das auch in Zukunft reicht, hängt maßgeblich davon ab, mit welcher Strategie Deutschland in die jetzige Phase des gelockerten Lockdowns geht. Wenn an Arbeitsplätzen in großem Umfang getestet oder in Krankenhäusern und Pflegeheimen systematischer als bisher gescreent würde, könnte die Zahl der angefragten Tests deutlich steigen.
Ein aktueller Gesetzentwurf der Bundesregierung redet von künftig bis zu 4,5 Millionen Tests pro Woche. Dabei ist unklar, ob es sich dabei um PCR-Tests oder nicht doch eher um Schnelltests handeln wird, deren Qualität in den nächsten Monaten steigen dürfte.
Neues Pandemiegesetz
Spahn will mehr Daten zur COVID-19-Risikobewertung
Derzeit sehen die ALM-Labore Antikörpertests außerhalb von Forschungsprojekten nur bei Klärung einer zurückliegenden Infektion mit fraglicher PCR, bei der Abklärung von Infektionsketten sowie vor SARS-CoV-2-Plasmaspende als sinnvoll an. Um große Testvolumina zu erreichen, schwebt der Bundesregierung vor, künftig unter anderem Veterinärmediziner in die Testung einzubeziehen.
„Aktuell kein Versorgungsengpass“
Bei der ALM setzt man hier doch ein paar Fragezeichen: Es gebe in Deutschland rund 1900 Kolleginnen und Kollegen, die fachärztliche Laborleistungen bereitstellen könnten: „Ich kann im Moment nicht erkennen, dass zusätzliche Kapazitäten nötig wären“, so Müller.
ALM-Vorstandsmitglied Dr. Christian Scholz sieht das ähnlich: „Wir haben aktuell keinen Versorgungsengpass. Im Moment schaffen wir Lagerkapazitäten an. Das ist gut, weil wir damit künftige Spitzen abfangen können. Aber viel von dem, was gerade passiert, ist schlicht Klientelpolitik, bei der es um wirtschaftliche Interessen geht.“
Deutlich sichtbar sei mittlerweile, welche tief greifenden Folgen die SARS-CoV-2-Pandemie auf die sonstige Labordiagnostik habe, betonte Müller. So gebe es seit circa vier Wochen bei einer großen Zahl an routinemäßig angeforderten Laboruntersuchungen im Vergleich zur entsprechenden Vorjahreswoche teils massive Rückgänge.
Ein Beispiel ist der HbA1c-Wert, der um 40 bis 60 Prozent seltener angefordert wird als im Vorjahreszeitraum. Bei Lipidparametern ging es um bis zu 80 Prozent nach unten. Der Kreatinin-Wert wird im Vergleich zum Vorjahr im Moment rund 60 Prozent weniger nachgefragt. Ähnliches gilt für den TSH-Wert.
Beim immunologischen Test auf Blut im Stuhl (iFOBT) ging es um 70 Prozent nach unten. Und selbst bei Akutparametern wie TPHA/TPPA (Lues), Urinkultur und CRP-Wert liegen die angeforderten Tests derzeit 40 bis 60 Prozent unter den entsprechenden Zahlen des Vorjahrs.
Labore spüren finanzielle Folgen
Ob sich das schon in einer schlechteren Versorgung spiegelt, lässt sich anhand von Laborstatistiken naturgemäß nicht sagen. Dazu braucht es Versorgungsforschung. Was die Labore aber deutlich spüren, sind die finanziellen Folgen dieser Verschiebung: „Der Zuwachs bei der SARS-CoV-2 Diagnostik kompensiert die Umsatzverluste und die nötigen Investitionen in Schutzmaßnahmen und Dreischichtsystem nicht. Es braucht deswegen für Labore genau wie für Krankenhäuser klare Regelungen zur wirtschaftlichen Absicherung“, so Müller.
Er sehe Signale, dass diese Problematik wahrgenommen werde. Wichtig seien jetzt aber zeitnahe und konkrete Regelungen, damit Deutschland seine starke Position bei der SARS-CoV-2-Diagnostik behält.
Im internationalen Vergleich haben nur die USA mit derzeit 3,8 Millionen mehr Tests durchgeführt als Deutschland, das in Summe auf knapp 2 Millionen kommt. Pro Kopf testet derzeit nur die Schweiz mehr, und Italien, Österreich und Spanien erreichen eine ähnliche Größenordnung wie Deutschland, nämlich rund 20 000 Tests pro eine Million Bevölkerung.