Müttergenesungswerk
Lockdown statt Mutter-Kind-Kur: Belegungszahlen eingebrochen
Die Belastung von Müttern und Vätern ist im Lockdown dramatisch gestiegen, die Chancen auf eine Kur gesunken. Die Bilanz des Müttergenesungswerks für 2020 fällt wirtschaftlich wie gesundheitspolitisch düster aus.
Veröffentlicht:Berlin. Die Zahl der Teilnehmer einer Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Kur ist im Vorjahr um rund 35 Prozent im Vergleich zu 2019 eingebrochen. Das hat das Müttergenesungswerk (MGW) mitgeteilt. 31.000 nahmen im vergangenen Jahr an einer Kur teil, 16.000 weniger als 2019. Die Zahl der teilnehmenden Kinder sank von 70.000 auf 45.000 (minus 36 Prozent).
Die Belegungsquoten in den mehr als 70 MGW-Einrichtungen stürzten entsprechend von 95 auf 57 Prozent ab. Analog schrumpften auch die Aufwendungen der Krankenkassen für Kuren von 442 (2019) auf 291 Millionen Euro. Damit wurden im Vorjahr nur noch 0,11 Prozent der GKV-Gesamtaufgaben für diese Leistung aufgewendet.
Das vergangene Jahr sei von großer wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt gewesen, heißt es. Beim ersten Rettungsschirm des Bundes sollten Mutter-Vater-Kind-Kliniken zunächst ganz außen vor bleiben. Bis Ende September 2020 wurden den Einrichtungen dann 60 Prozent der Ausfallsummen, die durch leerbleibende Betten entstanden sind, ausgeglichen.
Später sank dieser Wert auf 50 Prozent, seit 15. Juni ist der Rettungsschirm für die MGW-Kliniken komplett entfallen. „Der Rettungsschirm der Bundesregierung ist essenziell für die Kliniken im Müttergenesungswerk“, sagt die MGW-Kuratoriumsvorsitzende Svenja Stadler.
Wirtschaftliche Betriebsführung schwierig
Aktuell liege die Belegung der Einrichtungen wieder bei 70 bis 90 Prozent. Mit rückläufigen Inzidenzen versuchten die Kliniken, auch das Therapieangebot schrittweise wieder auszubauen, berichtet das MGW. Eine wirtschaftliche Betriebsführung sei dennoch aktuell „nicht mehr möglich“. Dennoch existiert ein hoher Bedarf an Kurmaßnahmen, der durch die Pandemie noch deutlich zunehmen wird,“ sagt MGW-Geschäftsführerin Anne Schilling. Durch die eingeschränkte Belegungskapazität der Kliniken sei es zu verlängerten Wartezeiten gekommen.
Die mit Abstand häufigste Aufnahmeindikation für Teilnehmer an einer Kur – rund 80 Prozent – sind psychische Störungen in Form von Erschöpfungs- und Angstzuständen, Schlafstörungen oder depressiven Episoden. Bei fast der Hälfte der Teilnehmer ergab die ärztliche Eingangsuntersuchung Muskel-Skelett-Probleme (Rückenschmerzen, Arthrose, Bandscheibenschäden oder Osteoporose).
Bei Müttern ergaben die Eingangsuntersuchungen im vergangenen Jahr im Schnitt 2,9 Indikationen, bei Vätern 2,6. Fast jede fünfte Mutter wäre eigentlich ein Reha-Fall nach Paragraf 41 SGB V gewesen, berichtet das MGW (Väter: 17 Prozent).
Morbidität bei Kindern oft nicht anerkannt
Zwei Drittel der Kinder einer Kur seien im Vorjahr behandlungsbedürftig gewesen, obwohl laut Bewilligung der Krankenkassen dies nur auf 41 Prozent der Kinder zugetroffen hat. Die Krankheitssituation der Kinder werde somit häufig nicht anerkannt, kritisiert das MGW.
Die Ablehnungsquote von Erstanträgen für eine Kur lag im Vorjahr bei Müttern bei zehn Prozent, bei Vätern bei 16 Prozent. Unverändert geblieben ist im Vergleich zu 2019 mit 74 Prozent die Quote der erfolgreichen Widersprüche.
Auf der Liste der Forderungen des MGW an die Politik steht unter anderem der Rechtsanspruch auf Beratung. Viele Betroffene benötigten diese, doch die Finanzierung der Beratungsarbeit sei bisher gesetzlich nicht verankert. Weiterhin fordert das MGW, dass pflegende Angehörige die gleichen Zugangsvoraussetzungen für Vorsorge- wie für Reha-Maßnahmen haben sollten. (fst)