Freiberuflichkeit adé?

Mehr Rückendeckung für junge Ärzte bitte!

Ökonomischer Druck? Für Nachwuchsmediziner ist er längst Alltag. Damit die ärztliche Freiberuflichkeit nicht dauerhaft unter die Räder kommt, fordern sie nun Schützenhilfe ein.

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BERLIN. Ärzte zählen zu den freien Berufen. Doch für immer mehr junge Mediziner ist es kaum möglich, diese Freiberuflichkeit auszufüllen und sie mit dem nötigen Selbstverständnis auch im Angestelltendasein einzufordern. Er habe es selbst in einer Klinik erlebt: Vor der Visite morgens kommen erst einmal die Case-Manager mit ihren bunten Patientenliste – eine Einteilung in grüne, gelbe und rote Fälle.

Mit rot würden die sogenannten „Costlier“, bezeichnet, berichtete Dr. Kevin Schulte vom Bündnis Junge Ärzte beim Jungen Forum auf dem 4. SpiFa-Fachärztetag in Berlin. „Was mich besonders ärgert, ist, dass hier Situationen entstehen, die allein dem Wohl des Klinikträgers dienen und sich gegen das Wohl des Patienten und der Gesellschaft richten.“

Und selbst Medizinstudenten spüren die Ökonomisierung der Medizin bereits: Das Thema Freiberuflichkeit werde im Studium nicht explizit erörtert. „Was wir aber etwa in den Blockpraktika immer mehr erleben, sind Situationen, in denen sich der ökonomische Druck zeigt“, so Jana Aulenkamp, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd).

"Freiberuflichkeit ist ein attraktives Merkmal"

Wie dringlich das Thema ist, machte auch Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt deutlich: „Die Freiberuflichkeit ist ein attraktives Merkmal des Arztberufs.“ Dies gerate bei vielen Ärzten in klinischen Verantwortungsbereichen zunehmend in Vergessenheit. Hier sei es vor allem Aufgabe der Verbände, den Chefärzten und leitenden Oberärzten Mut zu machen, auch nach unten in der Hierarchie im Sinne dieser Freiberuflichkeit zu agieren.

Reinhard: „Man muss bereit sein zur Auseinandersetzung mit der kaufmännischen Geschäftsleitung – das ist nicht immer einfach.“ Unterstützung soll den leitenden, aber auch den jungen Ärzte ein ambulanter Ärzte-Codex bieten, der sich an den Klinik-Codex, den die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) bereits 2017 veröffentlicht hat, anlehnt.

Doch das alleine reicht nicht, stellte Schulte klar. „Wir brauchen mehr Rückhalt. Dass wir ein Papier schreiben, ist mir ein bisschen zu dünn“, überspitzte er. Kammern und Verbände müssten Ideen entwickeln, wie Ärzte, die sich gegen ökonomische Zwänge auflehnen, konkret geschützt werden könnten. „Wieso kommen die Kammern nicht auf die Idee und entwickeln eine Plattform, wo wir als Ärzte Verstöße gegen den Berufsethos und die freie Arztentscheidung melden können?“, fragte er.

Mit diesen Meldungen sollten die Kammern dann zum Gesundheitsministerium gehen, um Druck auf die betreffenden Klinikträger auszuüben. In einigen Ärztekammern gibt es so ein Meldesystem bereits, wie sich zeigte. „Allerdings melden wir die Verstöße noch nicht en bloc dem Ministerium oder machen sie öffentlich“, gestand Reinhardt für Westfalen-Lippe. Aber auch Thüringen hat so ein Meldesystem, wie Landesärztekammer-Präsidentin Dr. Ellen Lundershausen berichtete.

Mehr Kampfgeist zeigen!

Bei allen Rufen nach Kammern und Verbänden forderte sie die jungen Ärzte auf, ebenfalls mehr Kampfgeist zu zeigen: „So angepasst, wie man jetzt in den einzelnen Klinikabteilungen tut, muss man nicht sein. Wir waren doch – mit Blick auf den Ärztemangel – noch nie in so einer komfortablen Situation, um Forderungen zu stellen.“ Die jungen Ärzte hätten gegenüber den Klinikträgern aber noch ein Druckmittel: die Niederlassung in eigener Praxis. „Der niedergelassene Arzt ist durch die Selbstständigkeit viel näher an der Freiberuflichkeit“, sagte sie.

Lundershausen hat den direkten Vergleich: Sie hat selbst zehn Jahre in einer staatlich gelenkten Poliklinik gearbeitet und nach der Wende den Weg in die eigene Praxis gewagt. „Der Unterschied zur eigen geführten Praxis lässt sich kaum in Worte fassen.“ Man müsse sich zwar in der eigenen Praxis ebenfalls an viele Regularien halten. „Das schränkt mich aber nicht in meinem Gefühl als Freiberufler ein.“ Auch Reinhardt bestätigte: „Die Niederlassung ist eine Alternative.“ Diesen Exit aus dem Klinikalltag hätten die Ärzte aber aus den Augen verloren.

Daran, wie auch an dem zunehmenden Trend zur Anstellung im ambulanten Bereich sind laut Lundershausen die Ärztevertreter nicht ganz unschuldig: „Wir haben in den letzten zehn Jahren die Niederlassung schlecht geredet. Wir müssen wieder die Vorteile der eigenen Praxis hervorheben.“ (reh)

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