Forschungsförderung
Mit Gründungskultur gegen den Stillstand
Spitzenforschung für Gesundheit in Deutschland braucht neuen Schwung. Eine breit angelegte Allianz aus Forschung, Industrie und Versorgung hat in einem Positionspapier definiert, was zu tun wäre.
Veröffentlicht:Berlin. Es ist nicht alles Gold, was glänzt in der deutschen Forschungslandschaft. Zwar ist in Deutschland der erste Corona-Impfstoff entwickelt worden, aber besonders in der klinischen Forschung ist die Situation nicht mehr so gut.
„Deutschland leistet Spitzenforschung. Und dennoch wird immer offensichtlicher, dass unser Land im internationalen Vergleich zurückfällt“, sagte Dr. Thomas Lang, Geschäftsführer Novartis Pharma in Deutschland, beim politischen Abend „Wissenschaft, Wirtschaft und Politik im Dialog“ in Berlin. Lang forderte „dringend eine gemeinsame Initiative von Politik, Wissenschaft und Industrie zur Stärkung der Spitzenforschung in Deutschland“.
Bei Dr. Thomas Sattelberger (FDP), dem parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), rannte Lang mit seiner Forderung offene Türen ein. Er nannte drei vordringliche Themen, die sich die neue Bundesregierung vorgenommen hat, um den Forschungstransfer in Richtung Gesundheitsversorgung zu verbessern.
„Die Prozesse müssen schneller werden“
Der erste: „Die Prozesse müssen schneller werden. Wenn es heute zehn Monate vom Förderantrag zur positiven Entscheidung dauert, dann müssen wir überlegen – wie können wir das halbieren?“ Die Pandemie habe gezeigt, wie nötig die Geschwindigkeit ist.
„Eigentlich müssten wir es schaffen, dass die Krisenpläne die Normalpläne werden. Wir können nicht in den alten trägen Routinehandlungsweisen verharren“, betonte Sattelberger. Weitere Punkte seien ein besserer Zugang zu den Gesundheitsdaten für die Forschung und eine weitere Stärkung der Grundlagenforschung, so Sattelberger.
Die Bundesregierung werde Innovationsbrücken aus den Hochschulen in die Wirtschaft vorantreiben. Es gehe auch darum, eine gründungsfreundliche Kultur in den Forschungszentren zu schaffen, damit aus Innovationen dann auch Produkte für die Versorgung entstehen könnten.
Die Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg, Theresia Bauer (Bündnis 90/Grüne), mahnte die Vernetzung aller Akteure in Politik, Gesundheitswirtschaft und Gesundheitsversorgung an: „Mit einem Ressort kommen wir da nicht weiter“, sagte sie in Richtung Sattelberger. Um zum Beispiel den Zugang zu Gesundheitsdaten zu verbessern, „können Sie den Gesundheitsminister und die Innenministerin, die Landesminister und noch ganz viele mehr dazu holen. Wir müssen die Lösungen zusammen erarbeiten, nicht gegeneinander, sonst schaffen wir es nicht.“
Baden-Württemberg habe dafür das „Forum Gesundheitsstandort“ etabliert und investiere 100 Millionen Euro für Vernetzungsprojekte und Forschungsinitiativen.
Vorteil langfristige Finanzierung
Professor Matthias H. Tschöp vom Helmholtz Zentrum München hob hervor, dass Deutschland mit seinen außeruniversitären Forschungszentren mit einer stabilen Finanzierung im internationalen Vergleich durchaus gut aufgestellt sei. In den USA seien viele Förderungen nur sehr kurzfristig orientiert.
Professor Leif Erik Sander, Charité, beklagte dagegen eine weit verbreitete „Angstkultur“ in der Verwaltung auf der Ebene unterhalb der Politik, die in der klinischen Forschung häufig stark bremsend wirke. Beispiel: Wenn ein Forscher für eine Studie ein Gerät brauche, das es nur bei einem einzigen Hersteller weltweit gebe, dann müsse dieses Gerät dennoch ausgeschrieben werden – mit der Folge, dass dann, wenn das Gerät gekauft sei und zur Verfügung stehe, die Studie schon vorbei sei.
Das Positionspapier der Initiative
Die Folgerungen, die die Initiative zur Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland zieht, hat sie in einem Positionspapier zusammengefasst, das besonders die folgenden Punkte betont:
- Patientenzentrierung: Eine Entdeckung oder Erfindung werde erst dann zu einer Innovation, wenn sie auch bei den Patienten ankommt und deren Erwartungen erfüllt.
- Besserer Austausch zwischen akademischer und industrieller Forschung: Wechselkarrieren zwischen Industrie und akademischer Forschung sollten erleichtert werden; Führungspositionen verstärkt mit Frauen besetzt werden und MINT-Studiengänge für Frauen attraktiver gemacht werden.
- Steuerliche Anreize: Investitionen in Biotech- und andere innovative Start-ups sind für eine breitere Zielgruppe interessant zu gestalten, um mehr Kapital für echte Innovationen zu mobilisieren.
- Bürokratieabbau: Regulatorische Hürden für klinische Studien müssten dringend reduziert werden, um Forschung in Deutschland zu beschleunigen.
- Potenziale der Digitalisierung und Telemedizin heben: Beide Technologien könnten in Zukunft helfen, klinische Forschungen dezentral und außerhalb von den großen Klinikstandorten durchzuführen. So könnten auch Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum besser profitieren.
- Anonymisierte Patientendaten für öffentliche und private Forschung nutzbar machen: Es sei wichtig, den Zugriff auf bestehende Gesundheitsdaten zu ermöglichen, um innovative Forschung effizient gestalten zu können.
Die Initiative wird außer von Novartis gestützt von vielen Akteuren aus Forschung, Industrie, Verbänden und der Biotech-Branche, darunter BFS health finance GmbH, Bio Deutschland e.V., BPI (Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie), Fraunhofer Gesundheit, Helmholtz Munich und vfa (Verband Forschender Arzneimittelhersteller. (ger)