Bundesverwaltungsgericht
PID auch bei Myotoner Dystrophie Typ 1 möglich
Wie schwer muss eine Erbkrankheit sein, um Paaren eine PID zu erlauben? Das Bundesverwaltungsgericht sieht DMD nicht als Maßstab für die Beurteilung, sondern fordert eine Prüfung im Einzelfall.
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In Deutschland nur nach Entscheidung einer Ethikkommission erlaubt: Präimplantationsdiagnostik.
© Ralf Hirschberger / dpa
Leipzig. Eine Präimplantationsdiagnostik (PID) kann auch zulässig sein, wenn sich eine Erbkrankheit nicht bereits in der Kindheit erheblich auswirkt. Der Gesetzgeber habe die Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) nicht zum Maßstab erheben wollen, urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag. Zulässig sei die PID bei schweren und schlecht behandelbaren Krankheiten mit verringerter Lebenserwartung.
In dem nun vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall ist der Vater an Myotoner Dystrophie Typ 1 erkrankt. Die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung liegt bei 50 Prozent. Die Eltern wollten dies durch eine PID ausschließen. Nach dem Embryonenschutzgesetz ist dies zulässig, wenn „das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit“ besteht.
Die Bayerische Ethikkommission lehnte die PID aber ab. Die voraussichtlichen Folgen einer möglichen Erkrankung seien hier nicht ausreichend schwer.
Bayerische Verwaltungsrichter folgten der Ethikkommission
Dem war auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München gefolgt. Er verwies zur Begründung auf die Vorschrift im Embryonenschutzgesetz, die eine Geschlechtsauswahl verbietet. Ausnahmen sind danach aber bei der DMD „oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit“ zulässig. Die DMD könne daher generell als Maßstab herangezogen werden, so der VGH München. Die Myotone Dystrophie Typ 1 sei demgegenüber aber weit weniger schwer.
Das Bundesverwaltungsgericht betonte nun jedoch, der Gesetzgeber habe die DMD nicht generell zum Maßstab für eine „schwerwiegende Erbkrankheit“ machen wollen. „Nach der Gesetzesbegründung sind Erbkrankheiten insbesondere schwerwiegend, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden.“
Entscheidung hängt vom Einzelfall ab
Nach dem Leipziger Urteil ist dies „in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden“. Gegebenenfalls könnten dabei auch weitere Gesichtspunkte herangezogen werden, etwa wenn ein Elternteil selbst erkrankt ist, wenn die Eltern bereits ein Kind mit der Erbkrankheit haben oder die Frau deswegen abgetrieben hatte.
Im Streitfall liege „das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit“ vor. Die Wahrscheinlichkeit liege immerhin bei 50 Prozent. Die Erkrankung könne neben den Gelenkmuskeln auch Augen, Herz, Nerven und den Hormonhaushalt beeinträchtigen. Betroffene müssten mit einer zunehmenden und erheblichen Beeinträchtigung ihrer Lebensgestaltung rechnen, zudem mit einer geringeren Lebenserwartung. Hier komme hinzu, dass der Mann selbst deutliche Symptome der Erkrankung zeige.