Influenza in der Pandemie
Politisches Signal pro Grippeimpfung
Die Regierung kauft erstmals selbst Grippeimpfstoff ein. Die STIKO will keine Impfempfehlung für neue Zielgruppen geben. Seit Mitte Juli läuft die Chargenfreigabe – noch deutet nichts auf Verknappung hin.
Veröffentlicht:Die Impfsaison 2018/19 dürfte noch in Erinnerung sein: Zum Winter hin zog damals nicht nur in einigen Regionen der Republik die Nachfrage nach Grippeimpfstoff kräftig an. Zudem fiel ein nicht unwichtiger Anbieter aus, der keinen tetravalenten Impfstoff liefern konnte, wie ihn die STIKO erstmals empfohlen hatte. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sah sich schließlich gezwungen, einen sogenannten „Versorgungsmangel“ auszurufen, um auch arzneimittelrechtlich unkonventionelle Beschaffungswege zu eröffnen. Im Jahr zuvor hatten die Hersteller noch mehrere Millionen Dosen über Bedarf produziert.
30 Prozent Sicherheitszuschlag
Mit einem Schlag wurde damals deutlich, wie schwer sich die Marktzuteilung und Verteilung eines Produkts planen und organisieren lässt, das wenigstens ein halbes Jahr Fertigungsvorlauf benötigt und von vielen Praxen auf Vorrat bestellt wird. Eine regionale Verknappung wie 2018 fiele im Corona-Jahr 2020 mit dem Horrorszenario zweier gleichzeitig die ambulanten und stationären Kapazitäten belastender Infektionswellen einerseits und einer doppelten Gefahrenlage für Risikogruppen andererseits weitaus dramatischer aus.
Zunächst orderte deshalb im April der Bund erstmals selbst Grippeimpfstoff, 4,5 Millionen Dosen. Und damit immerhin fast ein Drittel der Menge, die in der typischen Hochphase der Bestellungen, von Anfang September bis Ende November, im Vorjahr nach Zahlen des Beratungsunternehmens Iqvia abverkauft wurde.
So steht es im SGB V, Paragraf 106b Abs. 1a: „Bei Verordnungen saisonaler Grippeimpfstoffe in der Impfsaison 2020/2021 gilt eine Überschreitung der Menge von bis zu 30 Prozent gegenüber den tatsächlich erbrachten Impfungen nicht als unwirtschaftlich.“
Dann beschloss Berlin mit dem Mitte Mai in Kraft getretenen 2. Bevölkerungsschutzgesetz die Aufnahme eines Sicherheitszuschlags ins Sozialgesetzbuch V, wonach in dieser Saison eine bis zu 30-prozentige Überschreitung der auf Sprechstundenbedarf bestellten Impfstoffmenge „gegenüber den tatsächlich erbrachten Impfungen nicht als unwirtschaftlich“ gilt, wie es in Paragraf 106b (Absatz 1a) heißt. Auch die Verordner sollten keinen Grund haben, jetzt in Sachen Influenzaprävention auf der Bremse zu stehen. Zumindest nicht bei dem bisherigen Adressatenkreis.
Eine Ausweitung der Grippe-Impfempfehlungen auf neue Zielgruppen lehnt die STIKO in Anbetracht der anhaltenden Corona-Pandemie allerdings ausdrücklich ab.
Ministerium hat nachbestellt
Und um ganz sicher zu gehen, stockte das Gesundheitsministerium sein Bestellungskontingent nochmals um ein Drittel auf. Inzwischen habe man sechs Millionen Dosen tetravalenten Influenza-Impfstoff besorgt, bestätigte auf Nachfrage eine Sprecherin des Ministeriums; an einem „Verteilkonzept“ werde gegenwärtig noch gearbeitet.
Nach Schätzungen des Paul-Ehrlich-Instituts werden in dieser Saison einschließlich der vom Gesundheitsministerium vorbestellten Ware voraussichtlich um die 25 Millionen Dosen Grippeimpfstoff zur Freigabe angemeldet werden. Stand Ende August hatte die Langener Oberbehörde bereits 13,6 Millionen Dosen der diesjährigen Stamm-Variante freigegeben. Zum Vergleich: Im vorigen Jahr resultierten aus den Chargenprüfungen, mit denen Anfang August begonnen wurde, bis zum Abschluss Ende November 21,2 Millionen freigegebene Impfstoffdosen.
Tatsächlich von öffentlichen Apotheken ausgegeben wurden den Angaben Iqvias zufolge dann aber nur um die 16 Millionen Dosen.
Produktion am Limit
Und wie sieht die Marktzuteilung der Hersteller für Deutschland aus? Kamen die politischen Signale pro Grippeimpfung noch rechtzeitig, um die Produktionsvolumina anzupassen? Eine diesbezügliche Nachfrage bei den zuletzt den deutschen Grippeimpfstoff-Markt dominierenden Pharmaunternehmen Mylan, Sanofi und GlaxoSmithKline ergab wenig Konkretes; 2019 entfielen laut Iqvia auf diese drei Hersteller 99 Prozent des bundesweiten Umsatzes mit Grippeimpfstoffen und 98 Prozent des Mengenabsatzes.
Sanofi immerhin ließ wissen, zur aktuellen Saison „die maximale Menge“ herzustellen, „die mit unserer globalen Kapazität produzierbar ist“. Dadurch habe man den Jahresausstoß um ein Viertel auf „weltweit 250 Millionen Dosen gesteigert“. Man werde „die Ärzte zuverlässig versorgen“.