Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Praxischefs sollten MFA direkt zum Jahresbeginn über Urlaubsanspruch informieren
Praxischefs, Kliniken und MVZ müssen ihre Mitarbeiter auf offenen Urlaub und dessen Verfallstermin hinweisen, andernfalls müssen sie diesen später auszahlen.
Veröffentlicht:Erfurt. Praxischefs sollten ihre MFA am besten gleich zu Jahresbeginn informieren, in welchem Umfang im neuen Jahr ein Anspruch auf Urlaub entsteht, und sie gleichzeitig auffordern, diesen Urlaub bis zum Jahresende zu nehmen. Denn erfolgt ein solcher oder ähnlicher Hinweis nicht, bleibt der Anspruch auf nicht genommenen Urlaub dauerhaft erhalten, wie jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied.
Obwohl solche Hinweise früher nicht üblich waren, müssen Arbeitgeber nach dem Erfurter Urteil in den sauren Apfel beißen und in den vergangenen Jahren nicht genommenen Urlaub noch nachträglich gewähren oder abgelten. Denn der Anspruch verfällt oder verjährt erst nach einem Hinweis des Arbeitgebers. Einschränkungen gibt es hier lediglich nach langandauernder Krankheit.
Regelung im MFA-Manteltarif
Klägerin im Streitfall war eine Steuerfachangestellte aus dem Rheinland. Nach der Beendigung ihres gut 20-jährigen Arbeitsverhältnisses machte sie zuletzt noch 90 nicht genommene Urlaubstage geltend. Der Arbeitgeber erkannte den Anspruch für 14 Tage an und zahlte ihr dafür 3.200 Euro. Der restliche Urlaub sei spätestens mit Ablauf der gesetzlichen Frist von drei Kalenderjahren verjährt. Doch wie schon das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sprach ihr nun auch das BAG 17.400 Euro für weitere 76 Tage zu. Laut Bundesurlaubsgesetz und MFA-Manteltarif soll der Urlaub bis zum Jahresende genommen werden, eine Übertragung bis Ende März des Folgejahres ist möglich. Danach war früher der Urlaubsanspruch verfallen.
Gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg hat das BAG hierzu bereits entschieden, dass diese Verfallsfristen nur dann greifen, wenn der Arbeitgeber „klar und rechtzeitig“ auf den drohenden Verfall des Urlaubs hingewiesen hat.
Drei-Jahres-Frist gilt grundsätzlich
Mit dem neuen Urteil wiesen die Erfurter Richter nun auch die Hoffnung der Arbeitgeber auf die gesetzliche Verjährung ab. Zwar sei die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren grundsätzlich anwendbar. Nach den Vorgaben des EuGH müsse das Bundesurlaubsgesetz aber so ausgelegt werden, dass auch diese Frist erst mit einem Hinweis des Arbeitgebers zu laufen beginnt.
Nach einem BAG-Urteil aus 2019 können Arbeitgeber ihre Hinweispflicht vergleichbar einfach erfüllen. Danach reicht ein Hinweis jeweils zu Jahresbeginn aus, welcher Urlaubsanspruch für das neue Jahr entstanden ist und dass der Arbeitnehmer diesen bis Jahresende nehmen soll.
Keine Hilfe bei Altfällen
In Altfällen hilft dies allerdings nicht weiter. Das Argument, dass Arbeitgeber vor dem entsprechenden EuGH-Urteil vom 6. November 2018 ihre Hinweispflicht noch gar nicht kennen konnten, ließ das BAG jedoch nicht gelten. Der EuGH habe die Wirkung seines Urteils nicht auf die Zukunft beschränkt. Nach langandauernder Krankheit gilt eine gesetzliche Verfallsfrist bis Ende März des übernächsten Jahres. Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht aber auch hier die Hinweispflicht des Arbeitgebers.
In einem weiteren Fall eines Frachtfahrers urteilte hierzu das BAG, dass diese Verfallsfrist auch ohne Arbeitgeberhinweis greift, soweit der Arbeitnehmer den Urlaub wegen seiner Krankheit ohnehin nicht mehr fristgerecht hätte nehmen können. Nimmt der Beschäftigte aber vor Ablauf der Frist seine Arbeit wieder auf und könnte er seinen Urlaub daher noch nehmen, bleibt der Urlaubsanspruch ohne Arbeitgeber-Hinweis insoweit bestehen. (mwo)
Bundesarbeitsgericht, Az.: 9 AZR 266/20 (allgemein) und 9 AZR 245/19 (nach langer Krankheit)