Praxismanagement
Rechtsschutzversicherungen: Corona verschiebt die Akzente
Rechtsschutzversicherungen bestehen aus vielen Bausteinen, die extra dazugebucht werden müssen, um sich effektiv abzusichern. Gerade Praxischefs müssen hier sondieren.
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Wie sieht der Versicherungsbedarf beruflich und privat aus? Beratung hilft bei der Auswahl.
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Köln. In Zeiten der COVID-19-Pandemie erfahren Rechtsschutzversicherungen einen unerwarteten Aufschwung. „Wir sehen derzeit vermehrt Anfragen nach den Policen“, sagt der Versicherungsmakler René Bendgens aus Geldern am Niederrhein. Auch die Anwalt-Hotlines, die viele Rechtsschutzversicherer ihren Kunden zur Erstberatung anbieten, laufen heiß: „Wir haben beim Arbeitsrecht bis zu 75 Prozent mehr Anrufe, bei Reise- und Immobilienrecht rufen 50 Prozent mehr Kunden an“, berichtet Klaus Heiermann, Vorstandsmitglied bei der Düsseldorfer Arag, einem der größten deutschen Rechtsschutzversicherer. „Der Bedarf nach rechtlicher Orientierung ist groß.“
Waren zu Beginn der Pandemie noch Themen wie Reiserecht für die Kunden interessant, stehen jetzt, nach einem Jahr Ausnahmesituation, vor allem arbeitsrechtliche Fragen im Fokus der Kunden, berichtet ein Sprecher des Arag-Konkurrenten Roland. Das schlägt sich auch in den Zahlungen nieder, die die Versicherer leisten mussten. Roland musste im vergangenen Jahr rund drei Millionen Euro für Schäden zahlen, die im Zusammenhang mit COVID-19 standen. Bei der Arag waren es rund 6,2 Millionen Euro, 2021 könnten es sogar 11 Millionen Euro werden.
Keine Rund-um-sorglos-Verträge
Eine Rechtsschutzversicherung schützt vor den drohenden Kosten eines Rechtsstreits. Sie erstattet die gesetzlichen Anwaltsgebühren, Gerichtskosten sowie Ausgaben für Zeugen und Sachverständige und je nach Vertrag auch ein Mediationsverfahren. Allerdings bieten die Versicherer keine Rundum-sorglos-Verträge für Auseinandersetzungen aller Art. Vielmehr müssen sich Kunden entscheiden, in welchen Rechtsgebieten sie sich schützen möchten. Die Gesellschaften bieten Policen an für Konflikte im Privat-, Berufs-, Wohn- oder Verkehrsrecht. Es ist auch möglich, einzelne Bereiche zu kombinieren.Wer sich überlegt, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, sollte mehrere Punkte beachten, weiß Versicherungsmakler Bendgens. Wer kaum Auto fährt, benötigt möglicherweise keinen Verkehrsrechtsschutz. Hier kommt es nämlich im Nachgang oft zu Diskussionen mit dem Versicherer. „Wir haben häufig den Fall, dass Kunden einen Schaden melden, der in der Police gar nicht versichert ist“, sagt Heiermann von der Arag. Diese Erfahrung hat auch Bendgens gemacht: „Wer eine Police im Bereich Arbeitsrecht abgeschlossen hat, darf sich nicht wundern, wenn der Anbieter nicht die Kosten für einen Verkehrsrechtsfall übernehmen will.“
Niedergelassene Ärzte sollten sich für eine gewerbliche Rechtsschutzversicherung entscheiden, rät Michael Schwarz, Leiter Sachversicherung beim Finanzdienstleister MLP. Sie deckt viele Gebiete und mögliche Konflikte im Bereich der niedergelassenen Tätigkeit ab. Wichtig seien mehrere Komponenten: „Eingeschlossen werden sollte der Bereich Vertragsrechtsschutz. Dieser Schutz greift bei möglichen vertraglichen Streitigkeiten mit Patienten oder dem Praxisausstatter“, sagt er. Ebenfalls sehr wichtig sei, dass Ärzte den Bereich Spezialstrafrechtsschutz in der Police berücksichtigt haben. „Er greift in Fällen, in denen der Arzt eine Anzeige erhält, etwa wegen eines möglichen Behandlungsfehlers oder des Vorwurfs der gefährlichen oder vorsätzlichen Körperverletzung.“
Bei Streitigkeiten mit der Kassenärztlichen Vereinigung, etwa bei Überschreiten des Arzneimittelbudgets oder des Vorwurfs der unwirtschaftlichen Behandlung, greift der Sozialrechtsschutz, der ebenfalls in der Police bereits ab Widerspruchsverfahren mitabgedeckt sein sollte. Ärzte, die Mitarbeiter beschäftigen, benötigen auch eine Arbeitsrechtsschutz-Komponente, so Schwarz.
Policen häufig ein Flickenteppich
Auch wer einen passenden Vertrag gefunden hat, kann eine böse Überraschung erleben. „In der Rechtsschutzversicherung gibt es viele Ausschlüsse, sie ist wie ein Flickenteppich“, kritisiert Makler Bendgens. Er nennt einige Beispiele: Vermieter mit einer Immobilienrechtsschutz-Police haben nicht automatisch Schutz für Konflikte mit Mietern. Sie müssen dafür in der Regel einen Extra-Baustein abschließen.
Dazu kommt: Streitigkeiten, die sich bereits vor Vertragsabschluss abzeichneten, sind nicht versichert. Viele Versicherer verlangen deswegen eine Wartezeit von mindestens drei Monaten ab Vertragsbeginn, manche fordern sogar sechs Monate. Grundsätzlich gilt: Die Ursache für einen Rechtsstreit darf erst nach Ablauf der Wartezeit eingetreten sein.