Petition mit 67.000 Unterschriften
Region macht sich in Berlin für DRK-Krankenhaus Biedenkopf stark
Ob eine klamme Klinik im hessischen Mittelland Hauptstadtherzen rührt? Den Versuch ist es wert, dachten sich Lokalpolitiker – und sammelten Unterschriften für den Erhalt.
Veröffentlicht:Biedenkopf/Berlin. Um das insolvente DRK-Krankenhaus Biedenkopf zu retten, hat der Landrat des Kreises Marburg-Biedenkopf, Jens Womelsdorf, gemeinsam mit sieben Bürgermeistern aus dem Marburger Hinterland und der DRK-Kreisverbandsvorsitzenden eine Petition mit 67.000 Unterschriften an den Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Edgar Franke, in Berlin übergeben: „Damit haben wir deutlich gemacht, dass die ganze Region hinter diesem Krankenhaus steht und dass wir uns gemeinsam für den Erhalt des Krankenhauses einsetzen“, sagte Womelsdorf.
Er berichtete von konstruktiven Gesprächen mit dem Staatssekretär, der kürzlich selbst vor Ort in Biedenkopf war. Es gebe ein grundsätzliches Problem bei der Finanzierung kleiner Krankenhäuser, sagte der Landrat. Als Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Herbst in Marburg war, zeigte dieser sich überzeugt, dass die geplante große Krankenhausreform der Klinik helfen wird. Jetzt wollte sich das Ministerium nicht weiter äußern.
Kreis will ab April unter die Arme greifen
Der DRK-Kreisverband Biedenkopf als Träger des 113-Betten-Hauses mit seinen mehr als 300 Beschäftigten musste im September 2023 Insolvenz anmelden. Bis Ostern ist der Betrieb der Klinik durch die Insolvenzverwaltung gesichert. Um eine Schließung zum 1. April abzuwenden, wird dann voraussichtlich der Landkreis finanziell einspringen. Geplant ist ein Zuschuss von bis zu 2,66 Millionen Euro, um die Verluste aus dem laufenden Betrieb auszugleichen. Beschlossen werden soll dies während des Kreistages am 22. März. Die Zustimmung gilt als sicher.
„Die Möglichkeit der Übernahme von Verlusten aus dem laufenden Krankenhausbetrieb schafft nicht nur Zeit, um eine zukunftsfähige Lösung herbeizuführen. Sie ist auch wichtig für die Mitarbeitenden des Krankenhauses und die Menschen, die im Einzugsbereich der Klinik leben“, so der Landrat. Dann könne mit der nötigen Besonnenheit an einer Lösung mit einem Investor oder Betreiber gearbeitet werden.
Zudem haben die Landkreise einen Versorgungsauftrag, erklärt der Direktor des Hessischen Landkreistages, Tim Ruder, auf Anfrage. Mehr als die Hälfte der hessischen Landkreise betreiben selbst Kliniken. Wenn sich private Anbieter zurückziehen, stelle sich die Frage, ob die Wege zu weit seien oder Fachabteilungen fehlen, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Auch müssten die Hilfsfristen des Rettungsdienstes eingehalten werden, erläutert Ruder.
Hoffen auf die Landesregierung
Tatsächlich sind die nächsten Krankenhäuser in Marburg und Frankenberg mindestens 40 Minuten entfernt und zum Teil überlastet. Nach Überzeugung der Bürgermeister ist die Klinik ein „unverzichtbarer Notfallstandort“. Um die wohnortnahe Versorgung und die Anlaufstelle für den Rettungsdienst fürchtet auch das „Praxisnetz Ärzte der Region“, das sich deshalb schon an den hessischen Sozialminister gewandt hat.
Die Beteiligten hoffen nämlich auch auf die neue hessische Landesregierung; CDU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag die verlässliche Finanzierung des Krankenhauswesens im ländlichen Raum festgeschrieben. Die wirtschaftliche Schieflage des Krankenhauses erklären sich Mediziner und Kommunalpolitiker unter anderem damit, dass das Belegarztsystem bei den Sicherstellungszuschlägen unberücksichtigt bleibe.
Bislang zeigte sich Insolvenzverwalter Carsten Koch zuversichtlich, was den Fortbestand des Hauses betrifft, wollte aber keine weiteren Auskünfte geben. Die Klinik in Biedenkopf ist zugleich Lehrkrankenhaus für die Marburger Philipps-Universität. Von der Insolvenz betroffen sind auch zwei Altenpflegeeinrichtungen sowie die ambulante Pflege in Biedenkopf.