Impfgegner

Kammer distanziert sich von „Ärzten für Aufklärung“

Auch dieses Wochenende hat es Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gegeben. Wie sich die Ärztekammern durch Ärzte herausgefordert sehen, die diese Meinung vertreten, zeigt ein Beispiel aus Hamburg.

Von Dirk Schnack Veröffentlicht:
Alles gelogen? Schutzmasken überflüssig? Auch unter Ärzten gibt es Vertreter, die behaupten, die Maßnahmen gegen SARS-CoV-2 seien nicht zielführend oder gar gefährlich.

Alles gelogen? Schutzmasken überflüssig? Auch unter Ärzten gibt es Vertreter, die behaupten, die Maßnahmen gegen SARS-CoV-2 seien nicht zielführend oder gar gefährlich.

© marcink3333 / stock.adobe.com

Hamburg. Anhänger von Verschwörungsmythen werden seit einigen Wochen durch einen Flyer der „Ärzte für Aufklärung“ in ihrer Haltung bestärkt. Darin warnt die Gruppierung, für deren Website der Hamburger Arzt Dr. Walter Weber im Impressum genannt wird, unter anderem vor angeblich 80.000 Toten und vier Millionen Impfgeschädigten in Deutschland durch eine „Corona-Zwangsimpfung“. Die Hamburger Ärztekammer distanziert sich von den Aussagen auf dem Flyer und prüft, ob die Aussagen berufsrechtlich zu beanstanden sind.

Auf dem Flyer wird unter der Überschrift „Zwang zur Impfung droht“ vor den Folgen einer „Zwangsimpfung“ gewarnt: „Bis heute weiß kein Forscher, ob Autoimmunkrankheiten oder sogar Krebs entstehen.“ Eine nicht auszuschließende Folge sei eine Zahl von 80.000 Todesopfern: „Das ist das Auslöschen einer Stadt wie Konstanz. Oder Bamberg.“ Tatsächlich ist eine Zwangsimpfung gegen SARS-CoV-2 in Deutschland nicht vorgesehen.

Echte Pandemie oder „Fake“?

Auf der Rückseite des Flyers, der unter anderem auf Demonstrationen von Gegnern der Corona-Maßnahmen an die Bevölkerung verteilt wird, sind angebliche Merkmale einer „echten“ Pandemie denen einer „Fake-Pandemie“ gegenübergestellt. Ein Beispiel: Bei der „echten“ Pandemie heißt es: „Menschen kämpfen mit einer humanitären Katastrophe.“ Bei der „Fake-Pandemie“ sei dagegen ein Merkmal: „Menschen kämpfen um Toilettenpapier.“

„Ärzte für Aufklärung“ bezeichnet sich selbst als „Organisation von ca. 700 Ärzten aus Deutschland“. „Sie kritisieren die Corona-Maßnahmen der Regierung als überzogen. Von den Verantwortlichen fordern sie eine transparente Aufarbeitung der Zahlen“, heißt es zur Einordnung über die Gruppierung auf dem eigenen Flyer.

Kritik der Landesärztekammer

Auf der Homepage der Organisation ist von 2000 Unterstützern die Rede. Unter den aufgelisteten Unterstützern finden sich viele Ärzte aus Hamburg, aber auch Namen und Berufsgruppen außerhalb Deutschlands.

Nach Ansicht der Landesärztekammer Hamburg sorgen Flugblätter wie das der „Ärzte für Aufklärung“ für Angst und Verunsicherung in der Bevölkerung und tragen dazu bei, dass sich Menschen nicht an die Hygieneregeln halten – und damit zu einer Ausbreitung der Infektion.

Emami: „Ausgerechnet ärztliche Kollegen!“

Hamburgs Kammerpräsident Dr. Pedram Emami sagte der „Ärzte Zeitung“: „Ich finde es befremdlich, dass es ausgerechnet ärztliche Kollegen sind, die immer mehr ins Irreale und Ideologische abdriften. Das schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit des Berufsstandes. Viel wichtiger ist, dass sie damit die Gesundheit und das Wohl der Bevölkerung aufs Spiel setzen.“

Die Kammer distanzierte sich auf Nachfrage ausdrücklich „von den im Flugblatt verbreiteten Äußerungen, die fernab jeglicher wissenschaftlicher Evidenz liegen.“

vdek: „Überhaupt nicht akzeptabel!“

Volle Unterstützung bekommt Emami für seine Haltung von den Krankenkassen. Hamburgs vdek-Chefin Kathrin Herbst lobt den Einsatz der Gesundheitsberufe in der Pandemie und nennt es „überhaupt nicht akzeptabel, wenn Menschen, die Verantwortung im Gesundheitswesen tragen – wie beispielsweise Ärzte – diese Anstrengungen konterkarieren“.

Was aber kann eine Ärztekammer tun? Emami stellt klar, dass die Kammer wegen der Meinungsfreiheit „grundsätzlich auch abwegige oder ihr falsch erscheinende Auffassungen und Ansicht zu respektieren hat.“ Ein Ermittlungsverfahren leitet die Kammer erst dann ein, wenn sich konkrete Anhaltspunkte auf ein berufsrechtlich vorwerfbares Fehlverhalten ergeben - in der Regel aus der unmittelbaren ärztlichen Berufsausübung. Derzeit prüft die Hamburger Kammer einige Fälle in Zusammenhang mit dem Ausstellen von Attesten.

Möglichkeiten des Berufsrechts „sehr eingeschränkt“

Emami nennt die Möglichkeiten des Berufsrechtes in Bezug auf fragliche Äußerungen denn auch „sehr eingeschränkt“. Umso wichtiger ist nach seiner Ansicht „Aufklärung von allen Seiten“, insbesondere von ärztlicher Seite – „eine Aufgabe, die der weit überwiegende Teil der Ärzteschaft sehr ernst nimmt“, wie er sagt.

Diese Mehrheit registriert die Aktivitäten der „Ärzte für Aufklärung“, einige von ihnen haben sich bei der Kammer über den Flyer beschwert. Emami: „Wir begrüßen es sehr, wenn sich andere Ärzte ebenfalls öffentlich von diesen wissenschaftlich nicht tragbaren Inhalten distanzieren.“

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