Healthcare

Saudi-Arabien will ein ganz großes Rad drehen

Das Königreich Saudi-Arabien hat sich einen Modernisierungskurs verordnet. Dieser bezieht auch die medizinische Infrastruktur mit ein. Es geht um den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit – eine Chance für deutsche Anbieter.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Saudi-Arabien verordnet seinem Gesundheitssektor neue Qualitätsziele und einen technischen Modernisierungsschub.

Saudi-Arabien verordnet seinem Gesundheitssektor neue Qualitätsziele und einen technischen Modernisierungsschub.

© niyazz / fotolia.com

BERLIN/HAMBURG/RIAD. Der Gesundheitssektor ist für Saudi-Arabien eines der zentralen Felder, um international konkurrenzfähiger zu werden – auch, wenn es um das Anziehen ausländischer Investoren geht. Erst vor Kurzem hat das streng wahhabitisch geführte, autoritäre Königreich die Vision 2030 und den Nationalen Transformationsplan (NTP) vorgestellt.

Bis 2030 soll Saudi-Arabien demnach im Global Competitiveness Index des Weltwirtschaftsforums unter den besten zehn Ländern sein.

Der Anteil des Privatsektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll, so die Vorgabe, von 40 Prozent auf 65 Prozent wachsen, die ausländischen Direktinvestitionen sollen von jährlich 3,8 Prozent des BIP auf 5,7 Prozent steigen und die Beschäftigungsquote von Frauen soll sich von derzeit 22 Prozent auf 40 Prozent fast verdoppeln.

Der Anteil von Exporten außerhalb des Ölsektors am BIP soll von 16 auf über 50 Prozent wachsen. Schwerpunkte der geplanten Diversifikation sind die Branchen Infrastruktur, Gesundheit, Energie, Tourismus und Logistik.

Delegation lotet Potenzial aus

"Die Vision 2030 ist das größte Reformprogramm in der Geschichte Saudi-Arabiens, mit dem wir nachhaltiges Wachstum auf einem breiten wirtschaftlichen Fundament erzeugen wollen", verdeutlicht Dr. Awwad S. Alawwad, Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien in Berlin.

"Unsere ambitionierten Ziele bieten gerade auch für deutsche Unternehmen großes Potenzial", ergänzt er. Vor Kurzem lotete bereits eine deutsche Wirtschaftsdelegation unter Leitung von Peter Ramsauer, Ex-Bundesverkehrsminister und amtierender Vorsitzender der Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry, in Saudi-Arabien neue Marktchancen aus.

Saudi-Arabien steht unter enormem Handlungsdruck. Denn in die gesamte Region wird durch die nach dem Aufheben der Sanktionen jetzt beginnende Öffnung des iranischen Markts Dynamik kommen, sind sich Marktkenner einig. In Wien ist im Juli 2015 nach jahrelangen Verhandlungen mit dem Regime in Teheran eine Einigung im Atomstreit erzielt worden.

Noch hat Saudi Arabien den größten pharmazeutischen Markt der Region, der aber durch restriktive Regelungen in seinen Möglichkeiten eingeschränkt ist. Es dürfte sich jedoch sehr bald zeigen, ob Investoren vor diesem Hintergrund dem sich schnell öffnenden iranischen Markt den Vorzug geben werden.

Saudi-Arabien setzt vor allem auf deutsches Know-how, wie auch Dr. Basma Al-Buhairan, Geschäftsführerin der Abteilung "Health Care and Life Sciences" der Saudi Arabian General Investment AUTHORity (SAGIA) im Oktober in Hamburg beim "1st Saudi-German Forum for Sustainable Business" der Euro-Mediterranean-Arab Association, der saudischen Botschaft in Berlin und der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Riad betonte.

"Made in Germany" sei ein Qualitätsversprechen, das auch in dem Königreich am arabischen Golf zieht.

Laut der deutschen Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest gab es in Saudi-Arabien 2014 insgesamt 453 Kliniken mit 67.997 Betten. Auf den Staatssektor entfielen dabei 52.332 Betten in 312 Krankenhäusern. Das Gesundheitsministerium sei mit 40.300 Betten in 270 Kliniken der dominierende Akteur, bis 2020 will das Ministerium seine Bettenkapazität auf 73.000 ausbauen.

Der Privatsektor erhöhte 2014 seine Bettenkapazität auf 15.665 in 141 Kliniken.

15 Ziele des Gesundheitsministeriums

Wohin die Reise in puncto Healthcare-Sektor für Saudi-Arabien bis 2030 gehen soll, zeigt der Nationale Transformationsplan, der 15 Ziele in die Obhut des Gesundheitsministeriums gegeben hat. Dabei geht es unter anderem um die Verbesserung der Qualität des Gesundheitswesens – präventiv wie therapeutisch –, die Schaffung eines attraktiven Umfelds für lokale und internationale Investoren sowie eine höhere Privatisierungsrate regierungsseitiger Gesundheitsangebote.

Insgesamt solle der Anteil des privaten Sektors an den Gesamtgesundheitsausgaben des Königreichs von derzeit 25 auf 35 Prozent bis zum Jahr 2020 steigen. Für 2030 gibt es keine Referenzwerte.

Bis 2020 sollen 70 Prozent aller saudischen Bürger über eine elektronische Patientenakte verfügen – der Ist-Wert liegt bei null Prozent. Auf je 100.000 Einwohner soll die Zahl qualifizierter Saudis in der Pflege und anderen Assistenzpersonals von gegenwärtig 70,2 auf 150 bis zum Jahr 2020 steigen.

Einen Facharzttermin in einer spezialisierten Klinik binnen vier Wochen sollen künftig 70 Prozent der Patienten erhalten, derzeit seien es unter 40 Prozent.

Ein weiterer Ansatzpunkt sind die Zivilisationskrankheiten. Viele Länder im Nahen und Mittleren Osten stehen inzwischen vor denselben Problemen wie westliche Industriestaaten. Der zunehmende Reichtum und der damit einhergehende Lebensstilwandel hat zu einer dramatischen Zunahme an nichtübertragbaren und chronischen Zivilisationskrankheiten geführt.

Die International Diabetes Federation beziffert die Zahl der Diabetiker im Mittleren Osten auf 37 Millionen. Saudi-Arabien will nun laut Transformationsplan bis 2020 die Zahl der Raucher um zwei Prozent und die der Übergewichtigen um ein Prozent reduzieren.

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