Behandlung von chronisch Kranken
Start-up setzt auf private Cannabis-Medizin
Privatbehandlungen mit Cannabis: Eine Idee, die offenbar schnell im Markt Fuß fassen konnte, wie die ärztliche Firmengründung Algea nahelegt. Dabei geht es keineswegs um den schnellen Rezeptservice.
Veröffentlicht:Frankfurt/Main. Cannabis als Medizin, genauer gesagt, als Privatmedizin: Das ist das Geschäftsmodell, mit dem der Frankfurter Radiologe Dr. Julian Wichmann im September vorigen Jahres operativ an den Start gegangen ist. Sein Unternehmen, die Algea Care GmbH, organisiert auf Provisionsbasis als Dienstleister für inzwischen bundesweit 30 Partnerärzte ein umfassendes privates Versorgungsangebot – vom Webportal über strukturierte Anamnesebögen und Behandlungsvorschläge bis zur GOÄ-Abrechnung. Zielgruppe sind Patienten mit Chronikerindikationen, die im Rahmen der Standardmedikation als austherapiert gelten oder sich nicht länger mit deren Nebenwirkungen abfinden wollen.
Nach noch nicht einmal zwölf Monaten im Markt hat das Unternehmen inzwischen 60 Mitarbeiter. Die Partnerärzte versorgen monatlich bereits regelmäßig „eine vierstellige Patientenzahl “, berichtet Wichmann im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ – „und wir wachsen stetig“.
Basis Betäubungsmittelgesetz
Sich für Cannabis zu interessieren, begann Wichmann schon als Klinikarzt, der Schmerzpatienten im nächtlichen Bereitschaftsdienst oft nur noch mit Opiaten versorgen konnte. Das private Angebot begründet er unter anderem mit den Erstattungshürden, die der Kassenversorgung vorausgesetzt sind. Rechtsgrundlage der privaten Cannabis-Medizin ist das Betäubungsmittelgesetz, das Ärzten die begründete Betäubungsmittelverordnung erlaubt. Wobei diese lediglich dann als unbegründet gilt, „wenn der „beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann“(Paragraf 13 BtMG).
Das liegt zwar einerseits ganz auf der Linie der sozialrechtlichen Anspruchsvoraussetzung, dass eine Standardtherapie „nicht zur Verfügung steht“ oder „nicht zur Anwendung kommen kann“ (§ 31 Abs. 6 SGB V). Die dort weiterhin geforderte Voraussetzung einer „schwerwiegenden Erkrankung“ ist für die privatärztliche Versorgung jedoch unerheblich. Auch wenn „eigentlich alle Patienten, die sich an uns wenden, unter einer schweren Erkrankung leiden“, wie Wichmann betont. Häufigstes Beschwerdebild der Algea-Klientel seien chronische Schmerzen, zweithäufigstes psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Schlaflosigkeit oder auch ADHS.
Sieben Standorte, fünf geplant
Als schnellen Rezeptdienst will der Firmengründer sein Angebot ohnehin nicht verstanden wissen. Im Gegenteil: Ohne ein persönliches Erstgespräch, das aller bisherigen Erfahrung nach mindestens 30 Minuten dauere, gibt es auch keine Hanf-Verordnung. Und in der Folgezeit wird auf kontinuierliche Kontaktfrequenz zur Medikationseinstellung und Therapiekontrolle – „alle vier bis sechs Wochen“ – Wert gelegt. Das werde von den Patienten auch bereitwillig honoriert, versichert Wichmann. Je Termin werden zwischen 100 und 140 Euro fällig, heißt es; häufig übernähmen private Versicherer die Kosten.
Aktuell unterhält Algea Care sieben Standorte (in Berlin, Frankfurt/M., Hamburg, Köln, München, Nürnberg und Stuttgart), an denen sich Partnerärzte und Patienten treffen, teils eigene Räume, teils in Medizinischen Versorgungszentren angemietete. Binnen eines Jahres soll das Kontingent der Partnerärzte auf rund 100 zulegen sowie fünf weitere Behandlungsstandorte hinzukommen, regional orientiert an einer möglichst optimalen Republikabdeckung. Wichmann: „Die Patienten sollen keine allzulange Anreise haben.“