Schleswig-Holstein
Streit um E-Rezept-Pilot im Norden
Der Hausarzt Jörg Sandmann in Travemünde musste seinen Testbetrieb zum E-Rezept zeitweise einstellen. Ihm wurde vorgeworfen, gegen das Zuweisungsverbot zu verstoßen.
Veröffentlicht:Travemünde. Die Arztpraxis von Jörg Sandmann testet seit rund drei Wochen die E-Rezept-App „eRiXa“ des Ravensburger Anbieters PSO. Vor einigen Tagen erhielt Sandmann einen Brief vom Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein. Der Vorwurf: Seine Praxis am Strandbahnhof in Travemünde würde mit der Umsetzung des E-Rezepts gegen das berufsrechtliche Zuweisungsverbot verstoßen. Begründung: Auf Sandmanns Website können die Patienten zwischen sechs unterschiedlichen Apotheken wählen, bei denen sie ihr Rezept einlösen wollen, damit war für das Ministerium offenbar der sozialrechtlichen Forderung nach freier Apothekenwahl nicht genüge getan.
Für Hausarzt Sandmann unverständlich. „Uns Ärzten ist es verboten, bestimmten Apotheken einen Vorteil zu verschaffen. Aber wo ist der Vorteil, wenn der Patient selbst zwischen den Apotheken in Travemünde wählen kann?“ Einzig der Patient habe die Apotheken-Wahl und viele seiner Patienten hätten sowieso eine Stamm-Apotheke. Die Vorab-Information der Apotheke sei ja eigentlich der Vorteil des E-Rezepts. „Wir gewinnen dadurch alle Zeit, denn es kann direkt überprüft werden, ob das verschriebene Präparat gerade vorrätig ist“, sagt Sandmann. Die möglichen Strafen für einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot hielten den Hausarzt aber zunächst davon ab, das Projekt fortzuführen – und das inmitten wieder steigender Corona-Infektionen.
Viele Fragezeiche, was passiert ist
Durch einen Anruf bei der Ärztekammer erfuhr Sandmann, dass das Gesundheitsministerium eine entsprechende Prüfung des ihn betreffenden Sachverhalts angewiesen habe. Wie es dazu kam, ist unklar, womöglich, weil der eRiXa-Anbieter beim Ministerium einen Förderantrag zu stellen beabsichtigte und danach das Ministerium sich die Sache genauer ansah. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein erklärte, innovative Verfahren müssten selbstverständlich rechtskonform ablaufen: Sandmanns Projekt wurde „insofern nicht ‚bemängelt‘, sondern im üblichen Zusammenspiel der zuständigen Institutionen, in diesem Fall von der Ärztekammer, routinemäßig überprüft“, sagte Kammersprecher Stephan Göhrmann der „Ärzte Zeitung“. Dabei hat Hausarzt Sandmann offenbar nun doch nichts zu befürchten. „Der Sachverhalt wurde bereits geklärt“, lässt Göhrmann verlauten. Was das konkret heißt, wollte er nicht verraten. Insofern lässt der Fall Fragen offen.
Nachdem er einige Tage lang still gehalten hat, stellt Sandmann nun weiterhin E-Rezepte für seine Patienten aus. Allerdings sind die anderen drei Ärzte seiner Gemeinschaftspraxis inzwischen verunsichert und wollen keine E-Rezepte mehr ausstellen.
Er hätte erwartet, dass sich das Ministerium mit Nachfragen direkt an ihn wendet, moniert Sandmann. „Und dann wundern sich alle, dass die Ärzte keinen Bock mehr auf Digitalisierung haben. Aber bisher hat uns das alles in der Praxis immer nur mehr Arbeit eingebracht“. Während er für ein normales Rezept drei Arbeitsschritte benötigt, sind es beim E-Rezept acht - oftmals stelle er alleine an einem Tag aber 150 Rezepte aus.