Ärztekammern
Therapiefehler verweisen auf Strukturmängel
Die Ärztekammern sehen Gründe für ärztliche Behandlungsfehler auch in der Krankenhausorganisation. Zeitdruck und Personalmangel bergen Risiken.
Veröffentlicht:BERLIN. Der auf schiere Effizienz und Renditeorientierung ausgelegte Betrieb von Kliniken birgt Gefahren für Patienten. Darauf haben Vertreter der Ärztekammern bei der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik 2016 am Donnerstag in Berlin hingewiesen.
Das Gelingen von Operationen gründe auf ausreichenden Voruntersuchungen, der adäquaten medizinischen Behandlung und einer frühzeitigen Risikoerkennung. Hier sei das Management von Bluttransfusionen eine Risikoquelle. Eine Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten könne an dieser Stelle mehr Sicherheit bringen, sagte Professor Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin und Ärztlicher Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern.
Zudem müsse es gerade in den Operationssälen und den Intensivstationen ausreichend Fachpflegepersonal geben. Das sei nicht mehr überall der Fall, so Schaffartzik.
Checklisten gehen manchmal unter
Checklisten für Operationen sind nach einer Erhebung des Berufsverbands Deutscher Chirurgen in mehr als 90 Prozent der Kliniken eingeführt. Offenbar gehen diese Informationen in der Betriebsamkeit in den Op-Sälen manchmal unter. Schaffartzik stellte zwei Beobachtungen gegeneinander. Dort wo die Zeit vorhanden sei, im Vorfeld von Operationen mit aller gebotenen Sorgfalt Sicherheitsprotokolle anzufertigen, sinke die Häufigkeit von Komplikationen. Solche Protokolle enthalten zum Beispiel Angaben über den Ort der vorgesehenen Operationen, welches Glied, welche Körperhälfte.
Andererseits stiegen die Risiken, je öfter der Patient auf dem Weg zwischen Aufnahme zum Operationssaal und über den Aufwachraum zurück auf die Bettenstation vom Pflegepersonal übergeben wird. Liege das Risiko für eine postoperative Erkrankung oder sogar Tod bei einer Übergabe bei 11,6 Prozent steige es bei vier oder mehr Übergaben auf 21,2 Prozent, zitierte Schaffartzik aus der internationalen Fachzeitschrift "Anesthesiology" (2014; 121: 695-706). "Der Patient kennt niemanden, niemand kennt den Patienten", kommentierte Schaffartzik diese Praxis. Er leitete daraus die Forderung ab, die Zahl der Übergaben auf ein Minimum zu beschränken.
Auffällig an der aktuellen Behandlungsfehlerstatistik ist, dass für Kliniken häufige Fehlerquellen die Operationen, die postoperative Versorgung, die Diagnostik und Infektionen sind. Für Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Kommission der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen sowie Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern spielt die Renditeorientierung in den Krankenhäusern – nicht nur in den privat geführten – eine Hauptrolle in der Ursachenforschung. Gesundheitsversorgung sei Teil der staatlichen Daseinsfürsorge. Es dürfe daher nicht sein, dass aus den Beiträgen der Versicherten Renditen und positive Deckungsbeiträge für die kommunalen Haushalte geschöpft würden, sagte Crusius.
Schaffartzik forderte die niedergelassenen und stationären Ärzte auf, die Daten der Behandlungsfehlerstatistik zu nutzen, um Fehlerprävention zu betreiben. Mittel seien außer Checklisten auch Qualitätszirkel, Peer-Reviews, Tumorkonferenzen oder Morbiditäts- und Mortalitätszirkel. Empfohlen wird auch der Austausch über sicherheitsrelevante Ereignisse über das nationale Fehlerlernsystem CIRS.
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