Hintergrund
Transparenz und Offenheit sind bei Krisen hilfreich
In Krisen reagieren Krankenhäuser oft falsch. Hilfreich sind Transparenz und Offenheit. Es muss deutlich werden: Die Klinik will zur Aufklärung beitragen. Die Uniklinik Mainz hat es im Sommer vorgemacht.
Veröffentlicht:Die bundesweiten Schlagzeilen versprachen für die Uniklinik eine Katastrophe. Der "Tod aus dem Tropf" hatte zwei Säuglingen in der Mainzer Uniklinik das Leben gekostet, kurz darauf starb ein dritter. Insgesamt erkrankten elf Babys. Nahezu alle deutschen Medien befassten sich mit dem Thema, an der Uniklinik herrschte Ausnahmezustand.
Ein paar Tage später lautete eine Schlagzeile "Kein Schuldvorwurf an Unimedizin Mainz". Heute sagt Kommunikationschefin Dr. Renée Dillinger-Reiter sogar: "Wir glauben, dass wir gestärkt und glaubwürdig aus der Krise hervorgegangen sind." Wie die Mainzer die Krise kommunikativ bewältigt haben, schilderte Dillinger-Reiter auf dem Kommunikationskongress der Gesundheitswirtschaft in Hamburg, bei dem die "Ärzte Zeitung" Medienpartner war.
Die Klinik ließ keinen Raum für Spekulationen
Als Leitfaden gilt in der Mainzer Kommunikation Offenheit und Ehrlichkeit. Die Medien sollten bei der Aufklärung der Vorfälle mitgenommen werden und nicht das Gefühl bekommen, dass ihnen Informationen vorenthalten werden. Ziel war es, den unbedingten Willen der Mainzer nach Aufklärung deutlich zu machen und keinen Raum für Spekulationen zu lassen. Daran hielten sich auch die Vorstandsetage und der eingerichtete Krisenstab mit externen Beratern. Ziel dieser Marschroute laut Dillinger-Reiter: "Wir wollten als zuverlässige Informationsquelle angesehen werden." Dass dieses Ziel erreicht wurde, lag auch an einer zeitnahen Vermittlung kompetenter Interviewpartner. Auf dem Hamburger Kongress wurde die Uniklinik jetzt mit einem Preis für ihre gute Krisenkommunikation ausgezeichnet. (wir berichteten).
Nicht jede Klinik reagiert richtig in Krisen. Ein Beispiel nannte FAZ-Journalist Claus-Peter Müller von der Grün. Er erinnerte an einen Vorfall in Fulda, wo das Krankenhaus im Jahr 2007 mit einem Salmonellen-Ausbruch zu kämpfen hatte. Viele Tote unter rund 300 Salmonellenerkrankten führten damals zu einer ähnlichen Medienaufmerksamkeit wie einige Jahre später in Mainz. Die Öffentlichkeit erfuhr damals fast stündlich neue Sachlagen, unter dem Strich herrschte der Eindruck einer ungeordneten Informationspolitik.
Nach Einschätzung des Journalisten nahm die Klinik den Fall anfangs nicht ernst genug, der später zurück getretene Vorstandschef sei sogar in den Urlaub gefahren. Die Folgen waren fatal: Über Erfolge und Leistungen des Hauses sprach niemand mehr, die Patientenzahl ging dramatisch zurück und die verbliebenen Patienten erhielten keinen Besuch mehr, weil sich niemand mehr ins Haus traute. Nach Ansicht von der Grüns war die Klinikleitung mit der Krise überfordert und hatte den Aufwand von Pressearbeit unterschätzt.
Die Öffentlichkeitsarbeit ist häufig ein Stiefkind
Erst nach der Krise wurde eine hauptamtliche Pressestelle geschaffen. Das Krankenhaus ist anders als Mainz geschwächt aus dieser Krise hervor gegangen - auch wenn nach Abschluss der Untersuchungen zwei Jahre später festgestellt wurde, dass keiner der Toten an den Salmonellen gestorben war.
Fulda zeigt ein Grundproblem vieler deutscher Krankenhäuser, das Michel Rodzynek, Pressesprecher des Städtischen Klinikums München, so zusammenfasste: "In den meisten Kliniken ist die Medizin der Kommunikation um Jahrzehnte voraus."
Rodzynek ist erstaunt, dass es vielen Kliniken trotz guter Leistungen nicht gelingt, ein positives Image aufzubauen. Einen Grund dafür sieht er in der schwach ausgeprägten Information der eigenen Mitarbeiter in den Kliniken, die viel zu wenig als Übermittler guter Botschaften genutzt werden. Deutlich wurde in Hamburg aber auch, dass Faustformeln für die Krisenkommunikation wenig hilfreich sind. Harald Ehren von fischerAppelt relations: "Es gibt kein Handbuch für Krisen. Man sollte aber eine Haltung entwickeln, wie man damit umgeht" - nämlich offen und ehrlich, wie in Mainz.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Offenheit ist in der Krise ein Pluspunkt