Antwort der Bundesregierung

Überarbeitung führt nicht direkt zu Berufskrankheit

Überarbeitung spielt bei Berufskrankheiten keine Rolle – zumindest nicht als Primärdiagnose. Die Bundesregierung warnt aber vor der Gefahr überlangen Arbeitens und sieht Führungskräfte in der Pflicht.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Person greift sich an den kopf - vor ihr ein Bildschirm und Tastatur, ein Telefon sowie ein mit Dokumenten beladener Ordner.

Manche Beschäftigte wissen aufgrund langer Arbeitszeiten und entsprechender Arbeitsbelastung nicht, wo ihnen der Kopf steht.

© Thomas Eisenhuth / ZB / picture alliance

Berlin. Beruflich verursachte Gesundheitsschäden infolge überlanger Arbeitszeiten und/oder Überarbeitung können grundsätzlich die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles erfüllen und als solche von der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt werden. Im Bereich von Berufskrankheiten (BK) im Sinne der BK-Verordnung könne allerdings keine führende Rolle festgestellt werden, betont die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion.

Eine Auswertung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) der Todesfälle infolge einer BK habe für den Zeitraum von 2011 bis 2020 „keine Fälle ergeben, in denen als Primärdiagnose bei Berufskrankheiten ein ICD-10-Schlüssel aus dem Bereich I00-I99 ‚Krankheiten des Kreislaufsystems‘ dokumentiert wurde“, heißt es seitens der Bundesregierung.

Die Corona-Pandemie habe die Überstundensalden in bestimmten Bereichen noch verstärkt, ergänzt sie. Hier seien jetzt Führungskräfte gefragt, die Arbeitsauslastung der Beschäftigten durch aktives Arbeitszeitmanagement, Aufgabenkritik und Priorisierung zu steuern.

Keine Daten zu überarbeitungsbedingten AU-Tagen

Zu Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund von Überarbeitung oder arbeitsbedingtem Stress liegen der Bundesregierung nach eigener Aussage keine Daten vor. Für das Berichtsjahr 2019 seien 16,5 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage auf psychische und Verhaltensstörungen zurückzuführen gewesen. Zahlen für die Jahre 2020 und 2021 lägen noch nicht vor. Die Bundesregierung warnt aber vor vorschnellen Kausalitätsaussagen. Denn das Ursachengeschehen sei „komplex und multifaktoriell. Auch wenn Arbeit einen Anteil an psychischen Erkrankungen haben kann, äußert sich nicht jede Arbeitsbelastung in psychischen Erkrankungen und nicht jede psychische Erkrankung hat ihre Ursache in der Arbeit.“

Gefragt nach den Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen habe, um bei den Mitarbeitern in den Bundesministerien und nachgeordneten Behörden des Bundes für die Möglichkeit einer ausgewogenen Work-Life-Balance zu sorgen, verweist sie zunächst darauf, dass viele Ressorts und auch die nachgeordneten Behörden bereits als familienfreundlicher Arbeitgeber zertifiziert worden seien. „Besonders herauszustellen ist hierbei eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Arbeitsorte; eine Maßnahme, die von den Beschäftigten insbesondere in Zeiten mit hohem Arbeitsanfall gut angenommen und besonders wertgeschätzt wird“, heißt es in der Antwort an die Liberalen.

In begrenztem Umfang Negativsaldo möglich

So werde den betroffenen Mitarbeitern ein flexibles Reagieren auf private Verpflichtungen eingeräumt, wobei auch in begrenztem Umfang ein Negativsaldo möglich sei. Insgesamt bilde die zeitliche Variabilität eine tragende Säule der guten Work-Life-Balance. „Auch darüber hinaus können die unmittelbaren Vorgesetzten flexibel auf persönliche Bedürfnisse von Beschäftigten reagieren und mobiles Arbeiten ermöglichen. Die angebotenen Fortbildungsveranstaltungen sollen auf eine Stärkung der Selbstkompetenz der Beschäftigten abzielen und neben den entsprechenden Grundlagen auch praktische Ansätze zum Umgang mit belastenden Lebens- und Arbeitsumständen vermitteln“, konkretisiert die Regierung. Zudem würden regelmäßig Gesundheitstage veranstaltet, in Workshops, Vorträgen und Podcasts würden Themen wie Ernährung, Bewegung, Homeoffice oder Krebsprävention thematisiert.

Ergänzend heißt es, die Bundesregierung gehe nicht davon aus, dass etwaige überlange Arbeitszeiten der Bundesminister Auswirkungen auf die Produktivität hätten und sehe auch keinen Grund für eine solche Annahme. Einen Sonderstatus als Leitungskräfte genießen offenbar die Bundesminister. Eine Erfassung derer Wochenstunden „findet aufgrund der Besonderheiten des Amtes nicht statt“, so der Hinweis.

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