Fakultätentag
Unikliniken sehen Licht am Ende des Tunnels
Auf dem Medizinischem Fakultätentag in Kiel hat Bundesgesundheitsminister Gröhe der Hochschulmedizin Finanzhilfen in Aussicht gestellt. Sorgen macht sich der Wissenschaftsrat: Er befürchtet, dass beim Medizinstudium die Forschung ins Hintertreffen gerät.
Veröffentlicht:KIEL. Die Bedeutung der Hochschulmedizin ist bei der Politik angekommen. Dies zeigt die hohe politische Aufmerksamkeit, die der 76. Medizinische Fakultätentag (MFT) in Kiel erhalten hat.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) etwa stellte eine bessere Vergütung in Aussicht. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) stärkte den über 250 Teilnehmern den Rücken, als er die Qualität der an den Unikliniken geleisteten Arbeit würdigte.
Als "Motor für den medizinischen Fortschritt" und "ganz wichtigen Partner im Gesundheitswesen" bezeichnete Gröhe die Universitätsmedizin und hob zugleich deren Bedeutung für den Arbeitsmarkt und die Gesundheitsversorgung hervor.
Nach seinen Angaben behandeln die Unikliniken rund zehn Prozent aller stationären Patienten in Deutschland - darunter zahlreiche schwer erkrankte Menschen.
In diesem Zusammenhang brach Gröhe eine Lanze für die "Apparatemedizin", die er häufig zu Unrecht in der Kritik sieht. Zugleich begrüßte er aber auch die zunehmende Bedeutung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen.
"Ein brennendes Thema"
Nach dem umfassenden Lob von politischer Seite erwarten die Fakultätsvertreter nun auch konkrete und zügige Hilfe.
"Wir fühlen uns ernst genommen. Aber das muss nun auch in schnelle Lösungen münden und nicht erst in fünf Jahren", sagte Gastgeber Professor Ulrich Stephani, Dekan der Medizinischen Fakultät in Kiel, der "Ärzte Zeitung".
Nach Beobachtung des Neuropädiaters benötigt die Universitätsmedizin in Deutschland dringend mehr Geld, um die von der Gesellschaft erwartete Qualität auch erfüllen zu können.
Er berichtete von einer Verschärfung der Personalsituation in den vergangenen Jahren. "Ein brennendes Thema", wie Stephani sagte.
Der öffentliche Fokus auf Versorgungsfragen hat aber auch eine Kehrseite, die der MFT ebenfalls thematisierte: Probleme in Wissenschaft und Forschung werden damit zunehmend in den Hintergrund gedrängt.
Professor Hans-Jochen Heinze, Vorsitzender des Medizinausschusses im Wissenschaftsrat, verwies auf politische Überlegungen, schon im Studium die Weichen etwa für eine Tätigkeit in der Versorgung zu stellen.
Er mahnte: "Das Medizinstudium ist kein Instrument der Bedarfssteuerung und muss alle Optionen offen halten." Bedarf an Ärzten bestehe schließlich nicht nur in der Versorgung, sondern auch in Wissenschaft und Forschung - doch da lauere ein Problem.
Medizinstudium: Forschung gerät ins Hintertreffen
Ein immer verschulteres Studium führt dazu, dass den Studenten immer weniger Zeit für wissenschaftliche Arbeit bleibt, beklagt der Wissenschaftsrat. Heinze sieht in einer verpflichtenden Forschungsarbeit ein Instrument, mit dem das wissenschaftliche Arbeiten wieder gestärkt werden könnte.
Tatsächlich zeigen die Medizinstudenten unter dem Lerndruck der vergangenen Jahrzehnte weniger Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten.
Die Promotionsintensität von Absolventen des Medizinstudiums hat innerhalb von 15 Jahren von 80 auf 60 Prozent abgenommen - 40 Prozent verlassen also heute die Hochschule, ohne wissenschaftlich gearbeitet zu haben. "Wissenschaftliches Denken ist aber Grundlage für Diagnose und Therapie", sagt Heinze.
Auch MFT-Präsidiumsmitglied Professor Josef Pfeilschifter (Frankfurt/Main) hat beobachtet, dass immer mehr Medizinstudierende nur danach fragen, wie sie ihren Pflichtkatalog abarbeiten müssen.
Was sie jenseits davon in ihrem Studium noch lernen können und dürfen, gerät zunehmend aus dem Blickfeld - obwohl der Arzt für Pfeilschifter ein "Botschafter der Wissenschaft" sein sollte.
Bei den Studierenden stoßen die Wissenschaftler mit ihrem Ansinnen aber trotz der Entwicklung keineswegs auf Ablehnung.
Mehr Unterstützung im Zeitmanagement erwünscht
Eine in Kiel präsentierte Umfrage zeigt, dass Medizinstudierende das konkrete Auseinandersetzen mit wissenschaftlichen Publikationen als wichtige Kernkompetenz eines Arztes ansehen.
"Um unseren künftigen Patienten eine Therapie auf dem neuesten Stand anbieten und sie adäquat darüber informieren zu können, brauchen wir das Rüstzeug, um medizinische Fachliteratur und neues Forschungsergebnisse lesen und interpretieren zu können", sagt auch Jan Werner aus der Fachschaft Medizin in Köln.
Die Umfrage zeigt aber auch, dass sich viele Kommilitonen nicht ausreichend vorbereitet fühlen auf wissenschaftliches Arbeiten.
Sie wünschen sich mehr Unterstützung im Zeitmanagement, um ihre Fähigkeiten in der Statistik zu verbessern, um Publikationen schreiben zu können und in der Kommunikation.
Werner hält es für unerlässlich, dass alle Medizinstudierenden ein "Kerncurriculum Forschung" durchlaufen: "Wissenschaftlich interessierte Studierende brauchen Möglichkeiten, nötige "Research-Skills" für ihre Promotion und weitere wissenschaftliche Tätigkeiten in ihrem Studium zu erlernen."