Landgericht Köln
Urteil: Fixierung in der Pflege trotz Sturzgefahr nicht angezeigt
Ein Pflegeheim, das verwirrte Bewohner während der Nacht nicht fixiert, begeht keinen Pflegefehler, da die Fixierung den Muskelabbau fördert und damit weitere Risiken drohen. Das hat ein Landgericht betont.
Veröffentlicht:Köln. Pflegeheime müssen verwirrte oder demente Bewohner nicht am Bett fixieren oder mit Gittern am nächtlichen Verlassen ihres Bettes hindern. Denn beides ist mit neuen Risiken verbunden, betonte das Landgericht Köln in einem aktuellen Urteil. Es wies damit die Schmerzensgeldklage einer Tochter ab.
Die damals 94-jährige Mutter der Klägerin war im April 2018 in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung untergebracht. Eines nachts stand sie auf, stürzte und erlitt eine Platzwunde. Acht Tage später stand sie erneut nachts auf, verließ ihr Zimmer und wurde dann schwer verletzt im Speisesaal gefunden. Mit Gehirnblutungen und einem Oberschenkelbruch musste sie ins Krankenhaus. Vier Monate später starb sie.
Die Tochter war überzeugt, dass der Tod noch eine Folge des Sturzes war. Vom Heimträger forderte sie mindestens 35.000 Euro Schmerzensgeld. Ihre Mutter hätte im Bett fixiert oder mit Bettgittern vor nächtlichen Ausflügen bewahrt werden müssen. Mit seinem Urteil wies das Landgericht Köln die Klage jedoch ab. Ein Pflegefehler liege nicht vor.
Sachverständiger: Fixierung kontraindiziert
Zur Begründung verwiesen die Kölner Richter auf die Einschätzung einer Sachverständigen. Danach seien Fixierung oder Bettgitter „sogar kontraindiziert“ gewesen. So könne eine Fixierung zu Strangulationen führen. Außerdem führe die erzwungene nächtliche Unbeweglichkeit zu einem Muskelabbau, wodurch sich letztlich die Sturzgefahr noch weiter erhöhe.
Bei Heimbewohnern und Patienten, denen die notwendige Einsicht fehlt, seien auch Bettgitter riskant. Denn sie könnten versuchen, über das Gitter zu klettern, und würden dann aus noch größerer Höhe stürzen.
2015 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass „freiheitsentziehende Maßnahmen“ wie Fixierungen oder Bettgitter bei nicht mehr geschäftsfähigen Personen ohnehin nur mit gerichtlicher Genehmigung zulässig sind. (mwo)
Landgericht Köln, Az.: 3 O 5/19