Werbung für Schwangerschaftsabbrüche
Urteil gegen Ärztin bestätigt
Das Landgericht Gießen hat die Berufung einer Allgemeinmedizinerin gegen ein Urteil wegen verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbrüche abgewiesen. Sie solle das Urteil "tragen wie einen Ehrentitel in einem Kampf für ein besseres Gesetz", rät der Richter der Ärztin.
Veröffentlicht:GIEßEN. Das Landgericht Gießen hat am Freitag deutliche Kritik an dem auch gegen Ärzte gerichteten "Werbeverbot" (Paragraf 219a Strafgesetzbuch) für Schwangerschaftsabbrüche geäußert.
Dennoch bestätigte es die im November vom Amtsgericht Gießen verhängte Geldstrafe gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel.
Hänel informiert auf ihrer 2001 eingerichteten Webseite bis heute darüber, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Durch ein Versehen ihres Programmierers waren dort vorübergehend auch Informationen zu den Methoden lesbar, inzwischen können diese nur noch per E-Mail angefordert werden.
Diese Lösung habe sie nach rechtlicher Beratung durch die Ärztekammer Hessen gewählt, so Hänel.
"Für mich ist es eine Gewissensfrage, dass ich Schwangerschaftsabbrüche durchführe, weil Frauen in einer Notlage eine medizinisch korrekte Behandlung brauchen", sagte die Allgemeinärztin vor dem Landgericht. Dies offenzulegen sei aber auch nur fair gegenüber anderen Patienten.
Mit Verfassungsvorlage überfordert
Laut Paragraf 219a StGB macht sich jedoch bereits strafbar, wer Schwangerschaftsabbrüche "seines Vermögensvorteils wegen" anbietet. Das Amtsgericht Gießen hatte Hänel daher im November zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150 Euro verurteilt, insgesamt 6000 Euro.
Dies hat das Landgericht nun bestätigt. Die mit dem Vorsitzenden Richter Johannes Nink und zwei Schöffinnen besetzte Kammer folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Demgegenüber hatte die Verteidigung beantragt, den Streit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Der 219a sei verfassungswidrig.
Er verstoße gegen die Meinungs- und gegen die Berufsfreiheit. Schwangerschaftsabbrüche seien im Rahmen der Fristen- und Beratungslösung zulässig und die Bereitstellung der Möglichkeiten hierzu auch eine Staatsaufgabe.
Das Gesetz sage letztlich: "Du darfst es tun, du sollst es tun, aber sprich nicht darüber", kritisierte Verteidiger Karlheinz Merkel.
Das Landgericht hat zwar ebenfalls Zweifel an der Vereinbarkeit des "Werbeverbots" mit dem Grundgesetz, lehnt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht aber dennoch ab.
Ein Landgericht sei "in solchen Dingen überfordert", so Richter Nink. Eine Verfassungsvorlage könnten gegebenenfalls das Oberlandesgericht oder der Bundesgerichtshof machen.
Frauen reisen kilometerweit an
"Als Bürger, nicht als Richter" fordert Nink eine politische Entscheidung in der Sache. Er schlug vor, durch Streichung eines einzigen Wortes im Gesetzestext nur noch "grob anstößige" Werbung unter Strafe zu stellen.
An die Adresse Hänels sagte Nink: "Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel in einem Kampf für ein besseres Gesetz."
In jüngster Vergangenheit haben zwei Männer Strafanzeigen gegen mehrere hundert Ärztinnen und Ärzte wegen "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche gestellt: Ein Student sowie der Betreiber der Internetseite "babycaust.de", Klaus-Günter Annen.
"Der Rechtsstaat kann nicht wollen, dass zwei sogenannte Lebensschützer Rechtsunsicherheit ins Land bringen", sagte Verteidiger Merkel.
Hänel betonte, Frauen in einer Notlage hätten schon jetzt keine bundesweit flächendeckenden Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch. Frauen würden aus weit über hundert Kilometer zu ihr anreisen, ihr Name werde ja nun bundesweit genannt. Erst die Strafanzeige gegen sie habe sie bekannt gemacht.
200 Unterstützer demonstrieren
Zum Beginn der Verhandlung demonstrierten am Freitag vor dem Gießener Landgericht etwa 200 Unterstützer Kristina Hänels, darunter auch der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel, der die Abschaffung des Strafrechtsparagrafen 219a fordert.
Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley und Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (beide SPD) fordern eine baldige Neuregelung. Ärztinnen und Ärzte benötigten "dringend Rechtssicherheit", damit sachliche Informationen möglich seien, erklärte die Justizministerin gegenüber der Funke Mediengruppe.
Sie sei aber optimistisch, dass "noch in diesem Herbst" eine Lösung gefunden werde.
Az.: 3 Ns - 406 Js 15031/15
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 12.10.2018 um 17:27 Uhr.
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