Praxisübernahme
Zwischen Großstadtflair und Landlust
Ein Wiener Arzt, der in Hamburg lebt und eine Praxis in Schleswig-Holstein übernimmt. Dank Aufhebung der Residenzpflicht ist Alexander Horak in Glückstadt gelandet.
Veröffentlicht:GLÜCKSTADT. Das kleine Glückstadt an der Elbe kennt man außerhalb Schleswig-Holsteins nur, wenn man mit seinem Auto einmal per Fähre über die Elbe gesetzt hat oder zu dem exklusiven Kreis zählt, der eine Yacht im Hafen westlich von Hamburg liegen hat.
Ansonsten ist Glückstadt unauffällig und hat kaum Chancen, einen Großstadtmenschen wie Alexander Horak stärker zu interessieren als andere Orte dieser Größenordnung von knapp über 10.000 Einwohnern.
Immerhin hat der Allgemeinmediziner sein Leben bis zum Ende seines Studiums in Wien zugebracht und lebt seit einigen Jahren in der Hansestadt Hamburg. Was also sollte den mit Großstadtflair verwöhnten Mann in einen Ort wie Glückstadt locken?
Es war die Suche nach einer eigenen Praxis, die Horak zufällig eine Annonce von Dr. Jan Mühlfeld finden ließ. Der alteingesessene hausärztliche Internist hatte schon geraume Zeit nach einem Nachfolger für seine gut frequentierte Praxis gesucht - vergeblich.
Mühlfeld war kurz davor, die Praxis aufzugeben, als sich Horak Anfang 2013 bei ihm meldete. Der Österreicher hatte zuvor schon in der Weiterbildung und eine Weile als angestellter Arzt in schleswig-holsteinischen Allgemeinarztpraxen gearbeitet. "Irgendwann war klar, dass ich mein eigenes Ding machen wollte", stand für ihn fest.
Umzug kam nicht infrage
Er begann zu suchen, stets mit dem Hintergedanken, in Hamburg wohnen zu bleiben. In Uetersen und Elmshorn, wo er zuvor gearbeitet hatte, war dies kein Problem. Aber richtig aufs Land?
Glückstadt erwies sich als zu weit entfernt. Eine einstündige Autofahrt jeden Tag hin und zurück durch das stark frequentierte Straßennetz im Hamburger Umland hätte zu viel der seltenen Freizeit eines frischgebackenen Praxisinhabers gekostet.
Ein Umzug aber kam für Horaks Familie nicht infrage. Seine Frau arbeitet als Architektin in Hamburg, seine Kinder gehen dort zur Schule.
Andererseits gefielen Horak die idyllisch an einem Burggraben gelegene Praxis, die Mitarbeiter und der Praxisabgeber. Auch wirtschaftlich versprach die hausärztliche Praxis, Horaks Ansprüche erfüllen zu können. Eigentlich passte alles - bis auf die Entfernung. Die Lösung brachte die Bahn.
Horak fand eine Verbindung, die ihn täglich innerhalb von 33 Minuten von Altona nach Glückstadt transportiert. Die Fahrzeit überbrückt er mit der Tageszeitung. Zum Bahnhof kommt er per Fahrrad. "Meine tägliche Sporteinheit", sagt Horak.
Seine Figur verrät, dass er in diesen 15 Minuten nicht trödelt, sondern Gas gibt. Vom Bahnhof in Glückstadt geht er dann fünf Minuten zu Fuß in die Praxis und erscheint pünktlich um acht Uhr morgens.
So ist er zwar auch schon fast eine Stunde unterwegs, hat diese Zeit aber sinnvoller genutzt, als wenn er im Auto gesessen hätte.
"Ohne Aufhebung der Residenzpflicht wäre ich nicht hier gelandet", steht für Horak fest. Er ist froh, sich für Glückstadt entschieden zu haben, auch wenn der lange Weg zur Arbeit ihm zwei lange Tage pro Woche beschert. Montags und donnerstags hat er lange Sprechstunde und ist erst um halb zehn am Abend wieder zu Hause.
Mittwochs und freitags dagegen schließt er mittags und ist gegen 14 Uhr in Hamburg. Horak ordnet dies als Luxus ein: "In welchem anderen Beruf hat man das schon? Ich kenne keinen anderen Selbstständigen, dem das möglich ist", sagt Horak.
Praxis mit rund 850 Scheinen
Zur Honorierung sagt er: "Reich werden kann man als Hausarzt bestimmt nicht, aber das war auch nicht der Plan. Immerhin reicht es, um eine gewisse Ruhe zu haben." Zum Erfolg der Praxis, die mit rund 850 Scheinen im Quartal so läuft, wie es sein Vorgänger prognostiziert hatte, haben nach seiner Ansicht zwei Faktoren beigetragen.
Erstens: Er hat den Arztsitz von Mühlfeld übernommen und bezahlt, obwohl er sich in dem nicht gesperrten Bezirk auch ohne die Übernahme hätten niederlassen können.
So hatte er den Vorteil, dass Mühlfeld ihm einen Patientenstamm übergeben konnte. Zweitens hat er zwei Praxisangestellte von seinem Vorgänger übernommen, denen er hervorragende Arbeit bescheinigt und die alle Patienten kennen.
Unter dem Strich zieht Horak über seine Entscheidung für Glückstadt ein positives Fazit: "Es ist sicherlich nicht alles toll, aber ich möchte es trotzdem machen."
Und ganz ausschließen, dass er und seine Familie sich in einigen Jahren nicht doch für einen Umzug nach Glückstadt entscheiden, will er auch nicht. Die Glückstädter zumindest arbeiten daran und geben ihm bisweilen Hinweise auf günstig zu erwerbende Immobilien.