Vier von fünf Kindern mit Krebs werden heute geheilt
Anders als bei Erwachsenen hat Krebs bei Kindern in den letzten Jahrzehnten nicht zugenommen, und die Heilungschancen haben sich in dieser Zeit dramatisch verbessert.
Veröffentlicht:Von Lajos Schöne
In Deutschland erkranken jährlich etwa 428 000 Menschen an Krebs. Obwohl nur weniger als ein Prozent der Betroffenen Kinder sind, sind bösartige Neubildungen im Kindesalter nach Unfällen die zweithäufigste Todesursache. Das Deutsche Kinderkrebsregister verzeichnet jährlich 1 700 bis 1 800 Neuerkrankungen bis zum Alter von 15 Jahren, berichtet Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.
Krebs tritt bei Kindern am häufigsten in den ersten vier Lebensjahren auf. Die häufigste Krankheit ist Leukämie (34 Prozent) gefolgt von ZNS-Tumoren (22 Prozent) und Lymphomen (12 Prozent). Jungen erkranken fast doppelt so oft wie Mädchen. Die Wahrscheinlichkeit, fünf Jahre nach der Diagnose zu überleben, ist von weniger als zehn Prozent in den 1950er Jahren auf mittlerweile etwa 81 Prozent gestiegen, berichtet die Stiftung. Die Kinder gelten damit als geheilt. Die Fünfjahres-Überlebensraten variieren dabei zwischen 59 Prozent für die akute myeloische Leukämie (AML) und 90 Prozent für die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) bis zu 97 Prozent für das Retinoblastom.
Was kann bei Kindern ein Zeichen für Krebs sein?
- Leukämien: unerklärliche Fieberschübe, Infekte, von denen sich das Kind nicht richtig erholt. Knochen- und Gelenkschmerzen, die das Kind am Toben hindern. Blässe, Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Bauchschmerzen.
- Hodgkin'sche Krankheit (Lymphogranulomatose): große verhärtete Lymphknoten am Hals, die nicht wehtun, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust. Manchmal Fieberanfälle, manchmal starker Juckreiz.
- Hirntumore: Kopfschmerzen, Erbrechen, ohne vorher gegessen zu haben (etwa morgens nach dem Aufstehen), Schielen, Schwindel, verlangsamtes Sprechen.
- Neuroblastom: Spielunlust, Appetitlosigkeit, Knoten, Schwellungen, Knochenschmerzen, Hinken, Blutergüsse ums Auge.
- Rhabdomyosarkom: tastbare Knoten oder sichtbare Schwellungen, Lähmungserscheinungen und Bewegungsausfälle, schmerzende Muskeln, Glieder und Knochen.
- Nierentumore: aufgetriebener Bauch, später Bauchweh, Erbrechen, Verstopfung oder Fieber.
- Ewing-Sarkom: Knochenschmerzen an der Stelle der bösartigen Bindegewebsgeschwulst, mitunter auch Schwellung und Fieber.
Kinder mit Krebs werden heute nach Therapieoptimierungsprotokollen der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) behandelt, berichtet Privatdozentin Dr. Irene Schmid, Leiterin der Abteilung Hämatologie und Onkologie vom Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. Durch die Kombination verschiedener Medikamente wurde dabei die Chemotherapie immer weiter verfeinert, und unterstützende Maßnahmen machen die Nebenwirkungen einigermaßen erträglich. Schmid: "Den Haarausfall verkraften die meisten kranken Kinder noch am ehesten. Viel schwerer wiegt die Beeinträchtigung der Knochenmarksfunktion: Die Zahl der Blutzellen wird verringert, es entsteht eine Anämie mit Müdigkeit. Es kann zu Blutungen kommen, weil auch die Zahl der Blutplättchen verringert sein kann, und die Chemotherapie schwächt die Immunabwehr. Die Kinder werden anfällig selbst gegenüber harmlosen Erregern."
Die Behandlung ist sehr beschwerlich: Fast alle betroffenen Kinder leiden unter Schmerzen. Zur Blutentnahme wird immer wieder in den Finger gestochen. Die Venen müssen punktiert, Nervenflüssigkeit aus dem Rücken entnommen und Proben von Knochenmark untersucht werden. Allerdings erhalten Kinder und Jugendliche in der Regel während der Chemotherapie einen permanenten Zentralen Venenkatheter (Hickmankatheter), sodass keine schmerzhaften Blutentnahmen mehr durchgeführt werden müssen. Sonstige schmerzhaften Eingriffe werden inzwischen ebenfalls in einer kurzen Sedierung oder Narkose durchgeführt. Und trotzdem bleiben: häufige Übelkeit, schweres Erbrechen, aufgeplatzte Lippen, schmerzhafte offene Stellen im Mund und immer wieder stationäre Aufenthalte sowie der allgegenwärtige Gedanke: "Muss ich vielleicht sterben?"