Kortison ins Knie
Mehr Schaden als Nutzen?
Keine Verbesserung der Gonarthroseschmerzen gegenüber Kochsalzinjektionen, dafür aber signifikant stärkerer Knorpelverlust im Kniegelenk: Das ist das Ergebnis einer zweijährigen Studie zu intraartikulär appliziertem Triamcinolon. Experten stellen jetzt den Sinn der Steroidinjektionen bei Kniegelenksarthrose grundsätzlich infrage.
Veröffentlicht:BOSTON. Die Injektionstherapie mit intraartikulär verabreichten Kortikosteroiden ist eine weit verbreitete Maßnahme zur Behandlung bei symptomatischer Kniegelenksarthrose. Dies scheint einerseits plausibel: So gibt es Evidenz dafür, dass die Progression der Gonarthrose mit fortschreitender Zerstörung des intraartikulären Knorpels auf entzündlichen Prozessen beruht. Umgekehrt müsste die Steroidtherapie durch ihre antientzündliche Wirkung in der Lage sein, den Knorpelverlust aufzuhalten.
Eine Studie, die diese Hypothese eigentlich belegen sollte, hat nun jedoch das Gegenteil gezeigt: Wie die Forscher um Timothy E. McAlindon vom Tufts Medical Center in Boston berichten, hatten Arthrosepatienten, die zwei Jahre lang regelmäßig mit Triamcinolon-Spritzen ins Knie behandelt worden waren, keinen Vorteil gegenüber einer entsprechenden Injektionstherapie mit Kochsalzlösung (JAMA 2017; 317: 1967–1975). Für die Experten muss daher der Nutzen einer intraartikulären Steroidtherapie bei Gonarthrose grundsätzlich infrage gestellt werden.
Studie mit 140 Arthrose-Patienten
An der Studie teilgenommen hatten 140 Patienten mit radiologisch nachgewiesener Kniegelenksarthrose vom Kellgren-Lawrence-Grad 2 oder 3. Die Patienten waren im Mittel 58 Jahre alt und hatten Schmerzen im Knie, die auf der WOMAC-Skala bei mindestens 2 (höchstens 8) lagen. Der Wert 0 steht in dieser Skala für "keine Schmerzen", 20 entspricht "extremen Schmerzen".
Das Kollektiv wurde in zwei gleich große Gruppen geteilt: Die einen erhielten alle drei Monate eine 1-ml-Injektion mit 40 mg/ml Triamcinolon als aktivem Bestandteil, die anderen in gleichen Abständen 1 ml 0,9%-iges Natriumchlorid. Auf Lokalanästhetika wurde verzichtet.
59 Patienten aus der Triamcinolon-Gruppe und 60 aus der Kochsalz-Gruppe absolvierten in den zwei Studienjahren alle vorgesehenen Visiten, insgesamt neun. Dabei wurden vor allem Knieschmerzen mithilfe des WOMAC-Scores erhoben. Als klinisch relevante Verbesserung galt ein Unterschied von mindestens 3,94 Punkten.
Um den Knorpelverlust zu erfassen, wurden zum Ausgangszeitpunkt sowie nach 12 und 24 Monaten Knie-MRTs durchgeführt. Nach McAlindon und Kollegen war der Knorpelverlust im jeweiligen Indexkompartment in der Triamcinolon-Gruppe deutlich ausgeprägter als in der Vergleichsgruppe. Die Knorpeldicke hatte bei Ersteren um 0,21 mm abgenommen, in Letzterer um 0,10 mm. Keine Unterschiede zeigten sich jedoch beim freigelegten Knorpelanteil oder beim Ergussvolumen im Kniegelenk.
Bemerkenswerterweise hatten sich die Knieschmerzen in der Steroid-Gruppe gegenüber den mit Kochsalz behandelten Patienten nicht signifikant verbessert. Die Abnahme betrug in den gesamten zwei Jahren nur 1,2 bzw. 1,9 Punkte. Und auch in puncto Funktion und Gelenksteife waren die Effekte in beiden Gruppen gleich.
Vier Patienten in der Triamcinolon-Gruppe berichteten nach der Injektion über Schmerzen an der Einstichstelle, in der Kochsalz-Gruppe waren es zwei. Jeweils ein Patient klagte über Cellulitis (Kochsalz-Gruppe) bzw. Gesichtsflush (Triamcinolon-Gruppe). Allerdings gab es keinerlei Fälle von Osteonekrose oder subchondralen Frakturen.
Katabole Effekte
Sowohl experimentelle als auch klinische Studien belegen mittlerweile die katabolen Effekte von Kortikosteroiden auf den Knorpel. Die vorliegende Arbeit scheint diese Befunde zu bestätigen. Laut den Autoren widerspricht dies der Hypothese von der Entzündung als treibender Kraft für die Knorpeldestruktion, denn dann hätte sich ja durch die Steroidtherapie ein Schutzeffekt einstellen müssen.
Es wurde zwar mehrfach gezeigt, dass auch Kochsalzinjektionen die Gonarthrosesymptomatik verbessern können. Den hier beobachteten Unterschied im Knorpelverlust schreiben die Autoren dennoch eher dem Schadeffekt durch die Steroidinjektionen als einem möglichen Nutzen der Kochsalzspritze zu; schließlich hätten frühere Beobachtungsstudien ein ähnliches Ausmaß von Knorpelschwund gezeigt. Und von dem Placeboeffekt einer Spritze ins Knie hätten letztlich beide Gruppen profitiert.