Globaler Zustandsbericht

Mensch trägt Schuld am Artensterben

Etwa eine Million der derzeit bekannten rund acht Millionen Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Menschen müssen ihre Lebensweise gravierend ändern, mahnen Forscher.

Anke ThomasVon Anke Thomas Veröffentlicht:
"Zeit, etwas zu verändern": Doch was? Radikale Verbote bringen die Menschheit wohl beim globalen Naturschutz nicht unbedingt weiter.

"Zeit, etwas zu verändern": Doch was? Radikale Verbote bringen die Menschheit wohl beim globalen Naturschutz nicht unbedingt weiter.

© Stauke / Fotolia

HALLE. Die Artenvielfalt nimmt weltweit dramatisch ab. Um die vom Aussterben bedrohten Tiere und Pflanzen zu retten, muss der Mensch seine Lebensweise gravierend ändern. Dieses Fazit ziehen Wissenschaftler aus dem aktuellen Globalen Zustandsbericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES).

Zu Land, zu Wasser und in der Luft werde die Zahl der pflanzlichen und tierischen Arten von Jahr zu Jahr geringer, meinen Wissenschaftler der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Helmholtz Wissenschaftler waren maßgeblich an dem Globalen Zustandsbericht beteiligt.

„Die Ökosysteme der Erde werden durch den Menschen massiv beeinflusst“, so Professor Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Settele ist einer der drei Vorsitzenden des Globalen Zustandsberichts des Weltbiodiversitätsrats.

„Die immer stärkere Nutzung von Böden und Meeren, der Klimawandel und die Umweltverschmutzung sind menschengemacht und einige der wesentlichen Treiber des Artensterbens.“ Die Folge sei ein dramatischer Verlust der Artenvielfalt und damit auch der Leistungsfähigkeit der Ökosysteme wie etwa eine sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln weltweit.

Ein Drittel der Bestände überfischt

„Jedes zweite Korallenriff ist seit 1870 verloren gegangen, zum Beispiel durch Bautätigkeiten“, so Professor Julian Gutt vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) Bremerhaven. Auch die Fischerei werde vielfach „im roten Bereich“ betrieben: Ein Drittel der Bestände seien überfischt, 60 Prozent seien am Limit. „Wir müssen es schaffen, das Meer nachhaltiger zu nutzen“, so Gutt.

Von einem radikalen Verzicht und umfassenden Verboten hält er nichts. „Aber die Nutzung muss so gestaltet werden, dass die Ökosysteme erhalten bleiben und auch unsere nachfolgenden Generationen versorgen können“, mahnt er. Geeignete Maßnahmen seien beispielsweise der Ausbau von Schutzgebieten oder Fangquoten und der Klimaschutz.

Fleischkonsum gering halten

Um die die Natur nachhaltiger nutzen zu können, sind für die Wissenschaftler zwei Punkte besonders wichtig: Die Weltbevölkerung sollte möglichst langsam wachsen und der Fleischkonsum sollte geringer sein als in den meisten Industrieländern heute.

„Da kommen noch etliche weitere Punkte hinzu, die ebenfalls angegangen werden müssen“, meint Professorin Almut Arneth, vom Karlsruher Institut für Technologie, die am Zustandsbericht-Kapitel „zukünftige Szenarien“ mitgearbeitet hat. „Besonders wichtig erscheint mir jedoch, dass die Menschen endlich verstehen, dass die Ressourcen wirklich begrenzt sind.“

Die Pflanzenproduktion sei seit 1970 um rund 300 Prozent gestiegen, die Holzproduktion um 45 Prozent, erklären die Wissenschaftler außerdem. „Jedes Jahr werden weltweit rund 60 Milliarden Tonnen erneuerbare und nicht erneuerbare Rohstoffe aus der Natur gewonnen – das entspricht nahezu einer Verdopplung seit 1980“, meint Professor Ralf Seppelt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leitautor des Zustandsbericht-Kapitels „Szenarien und Wege in eine nachhaltige Zukunft“.

Mehr als ein Drittel der Landoberfläche und fast 75 Prozent der Süßwasserressourcen würden derzeit für die Pflanzen- oder Viehproduktion genutzt.

Grünen-Chef Robert Habeck bezeichnete das Papier als einen „Weckruf“ und forderte Reformen. Neben der Klimakrise rückten nun auch die Artenkrise und die ökologischen Belastungsgrenzen ins Zentrum der Politik. „Seit Jahren versiegeln wir zu viele Flächen, überhitzen und verschmutzen die Meere, machen aus der Landwirtschaft eine Landwirtschaftsindustrie. Ein dramatischer Rückgang an Artenvielfalt und Biodiversität ist unter anderem die Folge.“

Wichtig ist der Report auch für die Weltartenschutzkonferenz 2020 in China. Dort sollen die Eckpunkte für den weltweiten Artenschutz festgelegt werden. (mit Material von dpa)

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