Zukunft der ambulanten Versorgung
KVWL: Team-Arztpraxen stehen auf der Agenda
Die ambulante Versorgung wird künftig ohne Teampraxen nicht mehr funktionieren, waren sich die Teilnehmer einer Diskussion bei der KVWL einig. Unterschiedliche Ansichten gab es über ihre Vergütung.
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„Wir müssen weg von den klassischen Strukturen, wo eine Ärztin oder ein Arzt die ganze Arbeit allein macht, wir brauchen die Teampraxis mit Arbeitsteilung in Delegation“: Dr. Volker Schrage, Vize-Vorstand der KV Westfalen-Lippe.
© KVWL
Dortmund. Die Schaffung der Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen wird auch in der künftigen Gesundheitspolitik eine wichtige Rolle spielen. Davon geht Michael Weller aus, Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung im Bundesgesundheitsministerium. „Es wird vielleicht nicht der erste Schritt nach der Wahl, aber es gehört zur Strukturreform“, sagte Weller bei einer Veranstaltung der KV Westfalen-Lippe (KVWL).
Der KVWL-Summit 2025 in Dortmund stand unter dem Motto „Der Teampraxis gehört die Zukunft!“ Nach Einschätzung des Ministerium-Vertreters hätte die Selbstverwaltung von Ärzteschaft und Krankenkassen heute schon die Möglichkeit, das Konzept flächendeckend zum Fliegen zu bringen. „Aber die Selbstverwaltung verhakt sich.“ Deshalb werde voraussichtlich wieder der Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen müssen.
Das Konzept der Teampraxis könne mit dem Arzt-Patienten-Kontakt als Grundlage für Pauschalen nicht funktionieren, sagte er. „Wir brauchen den Praxis-Patienten-Kontakt.“
Der Bundesmantelvertrag muss geändert werden
Der Gesetzgeber müsse definieren, welche Ziele er mit Teampraxen als ambulante Versorgungsform verfolgt, sagte Weller. „Dann braucht es einen Auftrag an die Selbstverwaltung, den Bundesmantelvertrag entsprechend zu ändern, und Anreize für eine gute Lösung im EBM.“
Mit seinem Plädoyer für den Praxis-Patienten-Kontakt machte Weller KVWL-Vize Dr. Volker Schrage eine große Freude. Er setzt sich schon länger für dieses Konzept ein – ebenso wie für die Teampraxis. Diese Organisationsform benötige den Praxis-Patienten-Kontakt und die Aufhebung jeglichen Vergütungsdeckels, betonte Schrage.
„Wir müssen weg von den klassischen Strukturen, wo eine Ärztin oder ein Arzt die ganze Arbeit allein macht, wir brauchen die Teampraxis mit Arbeitsteilung in Delegation“, sagte Schrage. Bereits jetzt arbeiteten Vertreter mehrerer Berufe in vielen Praxen. „Eine Praxis, die mehrere qualifizierte Menschen beschäftigt, kann nicht genauso vergütet werden wie eine Praxis, in der nur ein Arzt oder eine Ärztin tätig ist“, findet er.
„Das ist kein minderwertiger Behandlungsansatz“
Die Angst, dass die Delegation von Leistungen an andere Berufe wie die Physician Assistants (PA) das Niveau der Versorgung verschlechtern könnte, sei unbegründet. „Das ist kein minderwertiger Behandlungsansatz“, sagte Schrage. „Die Verantwortung für die Tätigkeit der Mitarbeitenden liegt beim Arzt oder der Ärztin.“
Die KVWL erprobt gerade in zehn Hausarztpraxen den Einsatz von PA, um zu sehen, ob und wie sich die Versorgung durch die Zusammenarbeit verbessern lässt. „Die Ergebnisse aus dem Modellprojekt sind ermutigend“, berichtete Schrage.
Man müsse darüber nachdenken, wie sich die Rollen und Verantwortlichkeiten in der ambulanten Versorgung verändern, bestätigte Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband. „Die Anforderungen an die hausärztliche Versorgung sind gestiegen, da braucht es mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter.“ Sie hält es für wichtig, bei der Entwicklung neuer Modelle flexibel zu sein und „ohne Scheuklappen und Tunnelblick“ vorzugehen. „Man muss darauf gucken, was in der Praxis funktioniert“, forderte sie.
Erfordern Teampraxen zusätzliche Mittel?
Richard warnte davor, die Diskussion über eine Neuorganisation der Versorgung auf finanzielle Aspekte zu verengen. „Man sollte nicht mit der Vergütung anfangen“, findet sie. Zunächst müsse es um die Versorgungsinhalte und die Schaffung neuer Strukturen gehen und erst in einem nächsten Schritt um die dazu passende Vergütung. Ziel müsse es sein, die Versorgung effizienter zu gestalten und die Situation der Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Für den Gesundheitsökonomen Professor Jürgen Wasem ist es längst noch nicht ausgemacht, dass die Arbeit in Teampraxen zusätzliche Mittel erfordert. „Die Arbeit wird in der Teampraxis effizienter, die Ärzte können sich wieder auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren“, sagte er. Sie hätten dann mehr Zeit, um neues Honorar zu generieren – gerade in einem unbudgetierten System.
Wasem: Selbstverwaltung muss gangbare Konzepte entwickeln
Mit Blick auf die Vergütung der Teampraxis müssten zwei Fragen beantwortet werden, sagte Wasem, der Vorsitzender des Erweiterten Bewertungsausschusses für die vertragsärztliche Versorgung ist. Man müsse zum einen prüfen, ob es EBM-Ziffern braucht, die den speziellen Leistungen der Praxen Rechnung tragen. Zum anderen müsse geklärt werden, ob dafür zusätzliches Geld notwendig ist.
Die künftige Ausgestaltung der Arbeit in den Praxen hängt für Wasem eng mit der notwendigen besseren Patientensteuerung zusammen. Hier sieht er die Selbstverwaltung in der Pflicht, gangbare Konzepte zu entwickeln. „Um sie auf die Straße zu bringen, brauchen wie Änderungen am Bundesmantelvertrag“, betonte er. „Wenn das nicht klappt, muss der Gesetzgeber einschreiten.“