Unternehmen berichten
Pflegezeit wird kaum genutzt
Berufstätigen, die einen Angehörigen pflegen, stehen mehrere gesetzliche Angebote zur Verfügung, wie sich Pflege und Beruf besser vereinbaren lassen. Doch genutzt werden sie kaum, wie eine Befragung von Unternehmen zeigt.
Veröffentlicht:BERLIN. Rund fünf Millionen pflegende Angehörige gibt es in Deutschland, so schätzen Experten. Viele der Betroffenen sind berufstätig.
Damit sich Job und Pflege besser vereinbaren lassen, hat der Gesetzgeber einige Angebote wie "Pflegezeit" oder "Familien-Pflegezeit" geschaffen. Doch offenbar werden diese Möglichkeiten von den Arbeitnehmern selten in Anspruch genommen.
Das geht aus den Ergebnissen der Studie zur "Vereinbarkeit von Beruf und Pflege" hervor, die das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) vorgenommen hat. Dazu wurden Personalentscheider in 401 Unternehmen, die 26 oder mehr Menschen beschäftigen, befragt.
In 59 Prozent der Unternehmen noch nie genutzt
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Pflegezeit, Familien-Pflegezeit und Co.: Informationen zu den gesetzlichen Angeboten gibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Webseite.
Wie das ZQP mitteilt, hat in mehr als jeder zweiten befragten Firma (59 Prozent) noch kein Mitarbeiter eines der gesetzlichen Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege genutzt.
Bei Betrieben mit einer Mitarbeiterzahl zwischen 26 und 49 waren das sogar 71 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).
Rund jedes vierte Unternehmen (28 Prozent) gab an, dass mindestens ein Mitarbeiter die bis zu zehntägige Freistellung aufgrund einer akuten Pflegesituation in Anspruch genommen hat.
Bei großen Firmen mit 250 Beschäftigten oder mehr lag die Quote mit 66 Prozent deutlich über dem Schnitt.
Eine "Pflegezeit", also eine Freistellung von der Arbeit oder eine Reduzierung der Arbeitsstunden für bis zu sechs Monate, nahmen noch weniger Mitarbeiter in Anspruch: Nur 15 Prozent der befragten Personalverantwortlichen berichteten von mindestens einem Fall.
"Familien-Pflegezeit" sehr selten
Noch seltener wurde die "Familien-Pflegezeit" genutzt (10 Prozent). Dieses Angebot bietet Mitarbeitern die Möglichkeit, über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren Pflege und Beruf zu vereinbaren. Dabei kann die Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduziert werden.
Für die Begleitung von nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase können sich Arbeitnehmer bis zu drei Monate vollständig oder teilweise freistellen lassen.
Nur sechs Prozent der Personalentscheider berichteten, dass dies schon mal in ihrem Unternehmen vorgekommen ist.
Betriebe lassen Mitarbeiter oft im Stich
Die ZQP-Studie offenbart auch, dass Arbeitnehmer, die sich als pflegende Angehörige in die Pflicht nehmen, bei den meisten deutschen Unternehmen auf wenig Verständnis stoßen.
Danach machten 58 Prozent der mehr als 400 befragten Unternehmen keine betriebsinternen Angebote, um pflegende Mitarbeiter zu entlasten, denen es schwerfällt. Herausforderungen mit Blick auf Beruf und Pflege besser miteinander zu koordinieren.
Auch die gezielte Unterstützung von Angestellten, die einen Angehörigen mit Demenz pflegen, ist für 70 Prozent der befragten Firmen kein auch nur halbwegs relevantes Thema.
Für 43 Prozent der Unternehmen ist die Umsetzung solcher Angebote generell eher zu aufwändig und andere Fragen sind wichtiger; etwa ein Drittel (34 Prozent) findet entsprechende Maßnahmen zu teuer.
Personalverantwortliche beklagen darüber hinaus mangelndes internes Wissen, das hindern würde, Hilfsangebote zu planen.
So fehlen aus Sicht von 62 Prozent der Befragten Informationen darüber, welche Mitarbeiter tatsächlich Unterstützungsbedarf in der Pflege von Angehörigen haben. 63 Prozent vermissen Kenntnisse, welche Angebote für Betroffene konkret hilfreich wären. (ths/fuh)
Wir haben den Beitrag verlängert am 24.09.2018 um 17:51 Uhr.