Suchtkongress
Angehörige von Suchtkranken im Fokus
In knapp zwei Wochen kommen in Lübeck 400 Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter zusammen. Im Fokus des Kongresses stehen zwei Zielgruppen: Angehörige von Suchtkranken und betroffene Jugendliche.
Veröffentlicht:HAMBURG. Jeder zehnte Erwachsene in Deutschland hat mindestens einen Angehörigen mit bestehender Suchterkrankung. Folgen sind oft ein schlechterer allgemeiner Gesundheitszustand und Depressionen. Dennoch erhalten erwachsene Angehörige von Suchtkranken in Deutschland bislang kaum Unterstützung und finden nur schwer spezialisierte Behandlungsangebote.
Darauf verwies Dr. Gallus Bischof von der Uni Lübeck bei einer Pressekonferenz in Hamburg. Bischof ist Kongresspräsident des bevorstehenden zehnten Deutschen Suchtkongresses, bei dem rund 400 Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und Vertreter von Selbsthilfegruppen darüber beraten, wie die Angehörigen stärker in den Fokus von Öffentlichkeit und Politik gerückt werden könnten.
"Unser Ziel ist auch, zu einer Entstigmatisierung für die Angehörigen beitragen zu können", sagte Bischof bei der Vorabkonferenz.
Mehr als drei Millionen Kinder betroffen
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), hat in ihrem aktuellen Drogenbericht bereits eine bessere Versorgung der Kinder von Suchtkranken gefordert. Mehr als drei Millionen Kinder in Deutschland wachsen bei alkohol- oder drogensüchtigen Eltern auf.
Ein weiterer Schwerpunkt in Lübeck wird die Situation von suchtgefährdeten und von Suchtstörungen selbst betroffenen Kindern und Jugendlichen sein. Professor Rainer Thomasius vom UKE verwies auf ein geändertes Suchtverhalten im Vergleich zu früher.
Bei Nikotin und regelmäßigem Alkoholkonsum sei eine rückläufige Entwicklung zu beobachten, dafür geben neue Konsumformen Anlass zur Sorge: Rauschtrinken, E-Shishas, neue synthetische Drogen.
Thomasius kritisierte in Hamburg ein nicht ausreichendes Angebot an Behandlungs- und Therapieplätzen. Außer den ländlichen Regionen gelte dies auch für viele Metropolen wie Berlin, Köln und Frankfurt. Eine Ausnahme sei Hamburg: Dort finden sich 20 der bundesweit nur 220 Betten von Kliniken, die sich auf süchtige Kinder und Jugendliche spezialisiert haben.
Pädagogische Konzepte fehlen
Dieser Mangel hat zur Folge, dass minderjährige Süchtige zum Teil in Erwachseneneinrichtungen behandelt werden – mit oft dramatischen Folgen: Es fehle an pädagogischen Konzepten, nicht aber an falschen Vorbildern. "Manche lernen dort den Umgang mit härteren Drogen", sagte Thomasius.
Notwendig sei ein eigenes Beratungs- und Behandlungssetting, das dem jeweiligen Entwicklungsstand des Jugendlichen Rechnung trägt. Zur Prävention sei eine bessere Verzahnung zwischen Suchthilfe, Schule und Kinder- und Jugendpsychiatrie notwendig.
Steigende Bedeutung bei den Suchtgefahren für Kinder und Jugendliche hat das Internet. Jungen beschäftigen sich online eher mit kompetitiven Rollenspielen, an die sie durch einen Mix aus frühen Erfolgen und steigenden Anforderungen gebunden werden. Dr. Hans-Jürgen Rumpf, Past President der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, sprach in diesem Zusammenhang von einem "perfiden Konzept", das "löschungsresistent" mache.
Mädchen seien anders, aber nicht weniger gefährdet: Sie verbringen mehr Zeit mit sozialen Medien, wo ihnen ein positives Feedback eine Selbstwertsteigerung vermittelt.
Nach den Befunden der BZgA-Drogenaffinitätsstudie, auf die sich Mortlers Drogen- und Suchtbericht stützt, war 2015 bei 5,8 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen von einer Computerspiel- oder Internetabhängigkeit auszugehen. Unter jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren sind es mit 2,8 Prozent deutlich weniger Betroffene.
Der Deutsche Suchtkongress findet vom 18. bis 20. September in Lübeck statt.